Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magyria 02 - Die Seele des Schattens

Titel: Magyria 02 - Die Seele des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
Vom Netzwerk:
gewesen wäre! Kunun, der über alles bestimmte, der alles verbieten wollte, dem Hannas Leben so völlig gleichgültig war … Nein, erinnerte Mattim sich, selbst die beste Verkleidung half ihm nicht weiter, da er das Losungswort der Wache nicht kannte.
    Dort war schon der Fluss. Nebel wallte über dem Wasser, durch die Dämmerung schimmerte hinter ihm verheißungsvoll leuchtend die Burg in einem sanften, silbrigen Licht. Sie war so schön, dass es ihn überwältigte.
    Die Brücke. Ihre Pfeiler verschwanden im Nebel. Aber die Wachen waren da, er hörte ihre Schritte auf der Brücke, gedämpft. Leise Stimmen. Sonst wachten sie schweigend, heute hörte er sie reden. Der Brand musste sie aufgewühlt haben, sodass sie die verinnerlichten Regeln vergaßen. Nein, nicht das Feuer, sondern der Wolf in der Stadt.
    Auch hier waren trotz der fortgeschrittenen Stunde noch Leute unterwegs. Mattim verbarg sich im Schatten, bis sie vorüber waren. Vor Miritas Haus zögerte er.
    Wie oft war er schon hier gewesen? Damals, als sie noch Freunde waren, als er seine Pläne mit ihr besprechen konnte, weil er wusste, dass sie ihn verstand, auch wenn sie ihm widersprach? Wie oft, bevor sie ihn verraten hatte?
    Auf der Straße war es zu hell, um durch eine Mauer zu gelangen, aber der Hauseingang lag im Dunkeln; er konnte durch die Tür eintreten, ohne vorher zu klopfen. Wobei ihm am Ende noch Miritas Mutter geöffnet hätte. Der Prinz war sich ziemlich sicher, sie konnte so laut schreien, dass man es bis in die Burg hörte.
    Das Zimmer war hell, aber niemand war da. Aus der Küche drangen Geräusche; jemand summte mit leiser Stimme eine altbekannte Akinker Weise. Vorsichtig spähte er um die Ecke.
    Miritas Mutter bereitete das Essen zu. Mit einem scharfen Messer hobelte sie dünne Scheiben von einem geräucherten Schinken. Mattim hielt den Atem an, mittlerweile eine seiner leichtesten Übungen. Zum Glück hatte sie ihn nicht gehört. Vorsichtig zog er sich zurück.
    Das Mädchenzimmer war leer. Er hatte keine Ahnung, wo seine ehemalige Kameradin war oder wann sie zurückkommen würde. Sie war in der Nachtpatrouille gewesen, als er sie im Wald getroffen hatte, aber er glaubte nicht, dass sie den aufregenden Tag mit einem Wolf in der Stadt verschlafen hatte. Bestimmt hatten die Hörner alle herbeigerufen. Würde Mirita nach einer solchen Jagd schon wieder auf Patrouille im Wald gehen?
    Er schaute aus dem Fenster auf den Donua. Das rasch dahinfließende Wasser, das leise Rauschen an der Mauer … Immer hatte er den Fluss geliebt. Selbst jetzt, da er die tödliche Macht dieses Wassers kennengelernt hatte, konnte er nicht anders, als ihn immer noch zu bewundern. Der Fluss und Akink. Sie gehörten zusammen. So, wie das Licht zu Akink gehörte. Die Familie des Lichts. Er.
    Mattim wartete. Er hatte die Luft angehalten, und es war, als würde die Zeit selbst stillstehen. Kein Atmen, kein Herzschlag, kein Puls. Als hätte der Sand aufgehört, durch das Stundenglas zu rinnen, als wären die Zahnräder der Uhren angehalten worden. Er wartete und wusste nicht, wie lange. Die Nacht nahm ein tiefes, sattes Schwarz an, während die Stadt glühte, als würde es in ihrem Inneren immer noch brennen.
    Dann kam Mirita endlich zurück. Er hörte sie mit ihrer Mutter reden. Sie aßen und unterhielten sich leise, und dadurch erfuhr er die Geschichte von dem Boot und dem dunkelhaarigen Mädchen, das festgenommen worden war. Bang lauschend stand er hinter der Tür und horchte auf jede noch so kleine Information über Hanna. Woher sie erfahren hatte, dass ein Boot kommen würde, das erzählte Mirita nicht. Kein Wort davon, dass sie den Prinzen im Wald getroffen hatte, dass er ihr geholfen hatte. Es versetzte ihm einen kleinen Stich, dass sie ihn kein einziges Mal erwähnte.
    Irgendwann waren die beiden Frauen fertig mit essen. Stühle scharrten über den Boden.
    »Ich mach den Abwasch.«
    »Du hast mehr als genug getan, du musst hundemüde sein. Geh, und ruh dich aus.«
    Mirita öffnete die Tür. Er wartete dahinter, in ihrem dunklen Zimmer, bereit. Wenn sie ihn sah, würde sie schreien – vielleicht. Rufen. Ihn verraten. Dieses Vielleicht konnte er auf keinen Fall zulassen, deshalb trat er sofort auf sie zu und legte ihr die Hand über den Mund. Aus ihrer Kehle kam ein erstickter Schreckenslaut.
    »Mirita? Alles in Ordnung?«, rief ihre Mutter aus der Stube.
    »Ich bin es. Mattim«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Schrei nicht. Ich lass dich jetzt los, aber bitte

Weitere Kostenlose Bücher