Magyria 02 - Die Seele des Schattens
dabei! Was treibt der Mann da nur ständig?«
»Das ist in der Tat seltsam«, gab Bartók zu.
»Haben wir den nicht vorhin noch ins Krankenhaus gebracht? Oder ist da irgendein Karnevalstreffen, von dem wir nichts wissen?«
Er sah ihr in die Augen. Sie wusste nichts davon, dass dieser merkwürdige Kerl vorhin noch hier auf der Wache gewesen war und unter anderem auch sie niedergeschlagen hatte. Ob er sie auch gebissen hatte? War sie am Ende zweimal, von verschiedenen Vampiren, gebissen worden?
Es war immer noch dermaßen unglaublich, dass es sich eher so anfühlte, als sei er selbst verrückt geworden.
»Sie haben da eine kleine Wunde«, sagte er versuchsweise, um ihr Erinnerungsvermögen zu testen.
»Da hab ich mir was aufgekratzt. Was ist, soll ich eine Streife ins Burgviertel schicken?«
»Nicht nötig«, meinte er, »ich kümmere mich darum.«
Weit konnten Kunun und seine Freunde noch nicht sein, sie waren gerade erst mit allen Anwesenden fertig geworden. Hauptkommissar Bartók sprintete zum Ausgang und bedauerte, dass man diesen Anblick nicht ebenfalls aus dem Gedächtnis seiner Mitarbeiter löschen konnte.
»Hier bist du rausgekommen?«, fragte Mattim vor dem Eingang zum Budapester Labyrinth.
Peron nickte. »Aus dem Keller, ja. Auf einmal war alles anders – und auch das Feuer war aus.«
»Du musst mir die genaue Stelle zeigen. Dort liegt die Pforte nach Akink.«
Er zog seinen neuen Freund in den Vorraum, wo eine steile Treppe nach unten führte.
»Du willst nach Akink, Prinz Mattim?«, fragte Peron fassungslos. »Aber – man kennt dein Gesicht! Jeder in ganz Akink kennt dich! Jeder weiß, dass du ein Schatten bist, du wirst keine zehn Meter weit kommen!«
Er blieb stehen und hielt Mattim fest.
»Es herrscht immer noch Zwielicht dort, oder? Man wird mich gar nicht sehen.«
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht. Du warst nicht in der Stadt, Prinz Mattim. Dort ist es nicht so dunkel wie im Wald. Der König und die Königin wohnen immer noch in der Burg. Die Straßen sind nicht völlig finster. Man wird dich sehen und dich erkennen. Das ist Wahnsinn, du kannst nicht dorthin. Selbst ich würde mich das nicht trauen. Glaubst du, ich weiß nicht, dass meine eigene Frau mit dem Finger auf mich zeigen und schreien würde, sobald ich wieder auftauche?«
»Ich muss Hanna da rausholen«, sagte Mattim stur. »Ich werde durch diese Pforte gehen.«
»Und das Feuer?«, fragte Peron. »Wir haben nicht an das Feuer gedacht. Du würdest verbrennen, wenn sie es nicht inzwischen gelöscht haben!«
»Wo ist es?«
Mattim ging eine Stufe nach der anderen hinunter, obwohl sein Begleiter immer stärker versuchte, ihn zurückzuhalten. Er hielt ihn an der Jacke fest.
»Nein! Prinz Mattim, nein!«
Einige Passanten kamen gerade an ihnen vorbei und warfen ihnen neugierige Blicke zu.
»Schon fast halb acht«, sagte einer. »Gleich machen sie hier zu.«
»Wo – ist – die – Stelle?«, rief Mattim.
»Nein!«, schrie Peron. »Bleib hier, nein!«
Er musste ganz dicht dran sein. So dicht. In den Augen des neu verwandelten Schattens, in seiner Stimme lag so viel Panik, dass gleich hier … irgendwo hier …
Von vorne tauchten Leute auf, ein Mann sagte: »Prügelt euch gefälligst woanders!«
Mit jedem Schritt erhoffte Mattim das Durchschreiten der Pforte. In jeden Schritt legte er die Erwartungshaltung, dass er von dieser Welt in seine eigene stürzte. Peron hängte sich an ihn, zusammen stolperten sie vorwärts …
Dann war auf einmal alles finster. Beißender Rauch füllte seine Lungen, Hitze schlug ihm entgegen. Er schrie auf, als die Welt um ihn in schwarzem Nebel unterzugehen schien – im nächsten Moment lag er rücklings auf dem Boden, über Peron, dessen Hände immer noch in seine Jacke gekrallt waren.
Hustend rappelten beide sich auf.
»Du bist ein Idiot, Prinz Mattim. Ich hab dir doch gesagt, dass es drüben brennt.«
»Prügelt euch draußen weiter, ich hab schon die Polizei gerufen«, rief jemand.
»Ich muss sie retten. Ich muss durch diese Pforte. Ich muss.« Er hustete immer noch, der Rauch brannte auf seiner Zunge, in seinen Augen. Sie wankten nach oben.
»Es dauert etwas, vermute ich, bis sie das Feuer gelöscht kriegen.«
Die kühle, angenehme Nachtluft verschaffte dem Prinzen Erleichterung, aber keinen Trost.
»Dann muss ich eben auf der Pester Seite rüber«, sagte er entschlossen. »Ich werde einen Weg finden …«
»Einen Weg – über den Fluss?« Der Akinker war skeptisch.
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