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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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überhaupt keine Hintergrundgeräusche. Sie wirkte beinahe wie eine der Stimmen aus der Zuflucht , aber das konnte nicht sein.
    »Ich möchte, dass Sie über den Ozean nachdenken. Den tiefen Ozean. Denken Sie an die Dinge, die dort unten leben. Besonders die Mikroben. Denken Sie an die.«
    Er versuchte zu sprechen. Doch er besaß keine Stimmbänder mehr.
    »Gut. Jetzt werde ich Ihnen ein paar Namen nennen. Möglicherweise kennen Sie einige von ihnen. Abigail McHugh.«
    Diesen Namen hatte er noch nie gehört.
    »Donald Lertzman.«
    Lertzman? Was hat der damit zu tun?
    »Wolfgang Schmidt. Judy Caraco.«
    Ist das so eine Art Loyalitätstest der Firmenbosse … oh mein Gott. Der Kontakt über die Zuflucht Pickering's Pile. Er hat gesagt, er könnte mich finden …
    »André Breault. Patricia Rowan. Lenie Clarke.«
    Rowan? Steckt sie hinter dem Ganzen?
    »Ken Lubin. Leo Hin Tan der Dritte. Mark Showeil. Michael Brander.«
    Ja. Rowan. Vielleicht ist Alice doch nicht so paranoid.
    »Gut. Jetzt möchte ich, dass Sie über Biochemie nachdenken. Eiweißverbindungen. Aminosäuren, die Schwefel enthalten.«
    ???? …
    »Ich sehe, Sie sind verwirrt. Dann lassen Sie uns das Ganze etwas eingrenzen. Cystein. Methionin. Denken Sie daran, wenn Sie die folgenden Wörter hören …«
    Das ist irgendein Gedankenlesetrick , dachte Desjardins.
    »Retrovirus. Stereoisomer. Sarkomer.«
    Ein Quantencomputer?
    Die gab es nicht. Jedenfalls nicht offiziell, wie es von den meisten Formen verbotener Technik behauptet wurde, aber in diesem Fall neigte Desjardins dazu, es zu glauben. Niemand, der noch ganz bei Trost war, würde sich in die Nähe einer telepathischen KI begeben. Das war eine der Nebenwirkungen, die die Befürworter der Quantentechnologie nicht vorhergesehen hatten, und damit hatte sich die ganze Quantenbewusstseins-Debatte über Nacht erledigt. Wer würde schon etwas bauen, das nach Belieben in seinen Kopf blicken konnte wie ein Schachgroßmeister bei einer Partie »Schiffe versenken«?
    Soweit Desjardins wusste, niemand.
    »Ionenpumpe. Thermophile.«
    Aber wenn es kein Quantencomputer war, was …
    »Archaea. Phenylindole.«
    Ganzfeld.
    Also doch kein Computer, abgesehen von dem Befragungsinterface. Und auch keine Telepathie, jedenfalls nicht ganz. Simpler. Die schwachen Quantensignale des menschlichen Bewusstseins, losgelöst von dem Lärm und dem sensorischen weißen Rauschen, von denen sie normalerweise überdeckt wurden. Wenn die Versuchsperson von solchen Störungen ausreichend isoliert war, hatte man eine gute Chance zu erraten, was sie gerade anschaute oder hörte. Man konnte den leisen Widerhall ferner Emotionen wahrnehmen. Mit der richtigen Isolation und den passenden Stimuli konnte man eine ganze Menge in Erfahrung bringen.
    Das hatte Desjardins jedenfalls gehört. Er hatte es noch nie am eigenen Leib erlebt.
    »Gut. Jetzt denken Sie an die Aufgaben, die Sie während des vergangenen Monats für die BRIKS erledigt haben.«
    Mange de la morde. Nur weil eine körperlose Stimme ihm befahl, an etwas zu denken, bedeutete das nicht, dass er diesem Befehl Folge leisten musste …
    »Ah. Hier ist ein vertrautes Muster. Ich habe eine Aufgabe für Sie, Achilles: Was immer Sie tun, denken Sie nicht an einen rotäugigen Pavian mit Hämorrhoiden.«
    Oh, verdammt.
    »Sehen Sie? Nichts ist aussichtsloser, als sich alle Mühe zu geben, an etwas nicht zu denken. Sollen wir fortfahren? Denken Sie an die Aufträge, die Sie in den letzten sechs Monaten für die BRIKS erledigt haben.«
    Ein rotäugiger Pavian mit …
    »Denken Sie an Erdbeben und Flutwellen. Und an mögliche Verbindungen zwischen beidem.«
    Ist das nicht ein Sicherhietsverstoß? Sollte das Schuldgefühl nicht irgendetwas unternehmen ?
    Erdbeben. Flutwellen. Er konnte die Bilder nicht unterdrücken, die vor seinem geistigen Auge erschienen.
    Vielleicht ist es das. Vielleicht hat das Schuldgefühl meinen ganzen Körper außer Gefecht gesetzt. Wenn ich überhaupt noch einen Körper habe. Wie kann ich das wissen?
    Feuer.
    Oh, verdammt. Ich verrate alles …
    Nadeln aus smaragdgrünem Licht, die durch den Nebel stachen.
    »Denken Sie an die Eindämmungsprotokolle. An den Kollateralschaden.«
    Aufhören, aufhören …
    »Haben Sie das Ganze geplant?«
    Nein! Nein. Ich …
    »Haben Sie vorher Bescheid gewusst?«
    Wie könnte ich. Die sagen mir doch nichts …
    »Haben Sie es hinterher herausgefunden?«
    Wenn das Schuldgefühl noch funktioniert, ist mein Körper bereits tot. Verdammt!

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