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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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das«, sagte Perreault sanft. »Ich werde Ihnen dabei helfen.«
    Ein Schluchzen, das jedoch sogleich wieder unterdrückt wurde: »Nein.«
    »Sie könnten wirklich etwas Hilfe gebr …«
    »Hören Sie, Sie sind nicht mehr einfach nur eine … eine Reisegefährtin. Ich glaube, dass die uns vor Yankton eigentlich noch nicht auf dem Schirm hatten. Aber jetzt wissen sie über uns Bescheid, und Sie … Sie sind ihnen in die Quere geraten. Wenn die Sie noch nicht gefunden haben, dann arbeiten sie auf jeden Fall daran.«
    »Sie vergessen unsere Anemone.«
    »Nein, das tue ich nicht. Ich vertraue dem verdammten Ding einfach nicht.«
    »Hören Sie …«
    »Sou-Hon, vielen Dank für alles. Wirklich. Aber es ist zu gefährlich. Mit jeder Sekunde, die wir uns unterhalten, wird unsere Spur deutlicher. Wenn Sie mir wirklich helfen wollen, dann helfen Sie sich selbst. Versuchen Sie nicht noch einmal, mit mir Kontakt aufzunehmen. Verschwinden Sie. Suchen Sie sich irgendeinen sicheren Ort.«
    Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. »Wohin soll ich gehen? Wo ist es sicher?«
    »Das weiß ich nicht. Es tut mir leid.«
    »Lenie, hören Sie mir zu. Es muss einen Plan geben. Sie müssen nur Vertrauen haben. Irgendeine Absicht steckt hinter dem Ganzen. Bitte, warten Sie nur …«
    Plastik knirschte, das unter einem Absatz zermalmt wurde.
    »Lenie!«
    Verbindung unterbrochen , leuchtete in der Mitte der Anzeige auf.
    Sie wusste nicht, wie lange sie dort saß, inmitten einer Leere, die nur sie wahrnehmen konnte. Schließlich verschwanden die Worte Verbindung unterbrochen . Eine andere Anzeige tauchte am Rand ihres Sichtfeldes auf, ein rhythmisch blinkender, kleiner Kratzer auf ihrer Retina. Es schien sie beinahe übermenschliche Kraft zu kosten, sich darauf zu konzentrieren.
     
    Auf Wiedersehen.
     
    Und dann:
     
    Anemone. Nette Idee.

Hinter der Frontlinie
    Ein zufällig ausgeworfenes Schleppnetz erwischte die Anomalie fünfzehn Knotenpunkte vom Bug entfernt. Tausend andere Kanäle waren voller Threads über Lenie Clarke , aber dieser hier schien merkwürdig sauber zu sein: kein Verlust von Datenpaketen, keine Aussetzer, keine Spur von dem Stottern und der Zeitverzögerung, von denen der zivile Datenverkehr im Mahlstrom normalerweise heimgesucht wurde. Die Verbindung war voller Groupies mit Online-Spitznamen wie Squidnapper oder Weißauge , die alle eifrig lauschten, während jemand in ihrer Mitte Falschinformationen verbreitete. Derjenige nannte sich Der General , und er sprach mit tausend verschiedenen Stimmen: reinem ASCII-Code, der den Spezifikationen der Software seiner Adressaten entsprechend umformatiert wurde.
    Er unterbrach sofort die Verbindung, als er bemerkte, dass sich Achilles Desjardins von hinten anschlich.
    Zu schnell für einen Menschen. Beinahe sogar zu schnell für die Datenhunde, die Desjardins auf seine Spur ansetzte. Sie umrundeten innerhalb von Sekunden die ganze Welt, tauchten durch Schnittstellen, stolperten über Internetfauna und fanden halb ausgeweidete Kadaver, wo sich kurz zuvor noch intakte Registraturen befunden hatten. Hier und da und dort: Knotenpunkte, durch die Der General seine Botschaften verbreitet hatte. Datenstromaufzeichnungen, die bis zur Unkenntlichkeit beschädigt worden waren. Von jemandem, der seine Spur verwischte und dabei nur noch verbrannte Erde hinterließ. Die Hunde vervielfältigten sich tausende Male und tauchten gleichzeitig durch sämtliche verfügbaren Schnittstellen, um mit brachialer Gewalt die Spur wieder aufzunehmen.
    Dieses Mal hatten sie Erfolg. Bei T-plus-sechzig-Sekunden leuchtete ein Signal auf Desjardins' Konsole auf: Etwas war im Verzeichnisbaum eines Servers in der Mikrowellenanlage von Hokkaido gefunden worden. Es handelte sich nicht um ein intelligentes Gel. Vier Knotenpunkte im Umkreis war kein intelligentes Gel in Sicht. Doch das Ding war dunkel, und es war riesig, und es hielt so rigoros den Atem an, dass seine genaue Adresse nicht bestimmt werden konnte. Es war einfach irgendwo dort drin. Unter der Oberfläche.
    Und als Achilles Desjardins sein Netz an dem Knotenpunkt auswarf, ergriff die gesamte Internetfauna panikartig die Flucht, und Der General war nicht mehr auffindbar.
    »Verdammt …«
    Er rieb sich die Augen und unterbrach die Verbindung. Die wirkliche Welt wurde wieder um ihn herum sichtbar – oder zumindest der Teil davon, der innerhalb der Wände seines Büros gefangen war.
    Das bin ich selbst , dachte er, der hier drin gefangen ist. Nun, da er nicht

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