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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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gelang ihr jedoch, sie im letzten Moment daran zu hindern und stattdessen eine Miene aufzusetzen, die – oh bitte, lieber Gott, hoffentlich klappt es – unschuldige und besorgte Neugierde zum Ausdruck brachte.
    Aber was hat das überhaupt für einen Zweck? , flüsterte irgendeine besserwisserische innere Stimme. Sie wissen doch bestimmt längst Bescheid. Warum sollten sie dich sonst hierher zitieren?
    Sie unterdrückte den Gedanken.
    Sie spielen lediglich mit dir. Ein hohes Tier wird man nur, indem man eine bestimmte Vorliebe für Sadismus entwickelt.
    Und auch diesen Gedanken unterdrückte sie … allerdings mit Müh und Not.
    Sie waren zu viert, zwei Männer und zwei Frauen, die in der Stratosphäre der vierzehnten Verwaltungsebene um das Ende eines Konferenztisches herumsaßen. Slijper war die Einzige, die Jovellanos erkannte – sie hatte vor kurzem Lertzman ersetzt. Die hohen Tiere saßen am Ende des Tisches aufgereiht, von kleinen Halogenlichtern von hinten angestrahlt, ihre Gesichter im Schatten des grellen Lichts verborgen. Abgesehen von den Augen. Alle vier Augenpaare funkelten von den Daten, die in regelmäßigen Abständen darüber hinwegwanderten.
    Natürlich überwachten sie ihre Körperwerte. Sie wussten, dass sie angespannt war. Aber schließlich wäre in einer solchen Situation jeder angespannt. Hoffentlich überstiegen solche Feinheiten wie Schuld oder Unschuld die. Fähigkeiten der Sensoren.
    »Sie haben von dem Angriff gehört, der vor kurzem auf Don Lertzman verübt wurde«, sagte Slijper.
    Jovellanos nickte.
    »Wir glauben, dass ein Kollege von Ihnen in die Angelegenheit verwickelt gewesen sein könnte. Achilles Desjardins.«
    Okay, jetzt das richtige Maß an Überraschung zeigen … »Achilles? Warum?«
    »Wir haben gehofft, dass Sie uns das sagen können«, sagte ein anderer der Firmenbosse.
    »Aber ich weiß ni … ich meine, warum fragen Sie ihn nicht selbst?« Das haben sie längst getan, du Idiotin. Dadurch sind sie überhaupt erst auf dich gekommen. Er hat dich verraten, nach allem, was geschehen ist, hat er dich …
    »… verschwunden«, schloss Slijper.
    Jovellanos richtete sich in ihrem Stuhl auf. »Wie bitte?«
    »Ich sagte, Dr. Desjardins ist offenbar ohne Erlaubnis abwesend. Als er nicht zu seiner Schicht erschienen ist, haben wir schon befürchtet, ihn hätte dasselbe Schicksal ereilt wie Don, aber sämtliche Hinweise scheinen dafür zu sprechen, dass er aus freien Stücken untergetaucht ist.«
    »Hinweise?«
    »Er bittet Sie, seine Katze zu füttern«, sagte Slijper.
    »Er … was meinen Sie …?«
    Slijper hob die Hand. »Ich weiß, und ich hoffe, Sie verzeihen uns unser unerlaubtes Eindringen. Er hat Ihnen eine Nachricht in der Warteschleife hinterlassen. Darin sagt er, dass er nicht weiß, wie lange er fort sein wird, aber dass er dankbar wäre, wenn Sie sich um – wie hieß sie doch gleich? Mandelbrot? – kümmern würden. Er hat seine Wohnungstür so eingestellt, dass sie Sie hereinlässt. Jedenfalls« – sie ließ die Hand wieder unter den Tisch sinken – »hat bisher offen gestanden noch niemand, der dem Schuldgefühl unterworfen ist, ein solches Verhalten an den Tag gelegt. Er scheint einfach seinen Posten verlassen zu haben, ohne jede Entschuldigung, Erklärung oder vorherige Ankündigung. Ein höchst … ah … impulsives Verhalten.«
    Oh Mann, Killjoy, dir konnte doch nichts passieren. Warum musstest du alles versauen?
    »Ich wusste nicht, dass so etwas überhaupt möglich ist«, sagte Jovellanos. »Er hat schon vor Jahren seine Injektionen erhalten.«
    »Nun, aber es ist trotzdem passiert.« Slijper lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Wir haben uns gefragt, ob Ihnen an seinem Verhalten in letzter Zeit irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Irgendetwas, das im Nachhinein betrachtet erklären könnte, warum …«
    »Nein. Nichts. Obwohl …« Jovellanos holte üef Luft. »Dabei fällt mir ein, in letzter Zeit ist er irgendwie ein wenig … verschlossen gewesen.« Nun, das ist durchaus die Wahrheit, und sie wissen es wahrscheinlich längst. Es würde verdächtig wirken, wenn ich es nicht erwähnte …
    »Irgendeine Ahnung, warum?«, fragte ein anderer der Firmenbosse.
    »Eigentlich nicht.« Sie zuckte die Achseln. »Ich habe so etwas früher schon erlebt. Wenn man die ganze Zeit über mit schwierigen Krisen beschäftigt ist, setzt einem das nach einer Weile zu. Und Menschen, die dem Schuldgefühl unterworfen sind, können nicht immer über das reden, was

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