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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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Ganzen zu verschlucken.
    Ich könnte sie innerhalb von Sekunden töten , dachte er und wunderte sich, wie absurd ihm dieser Gedanke vorkam.
    Als er sich ihr näherte, blickte sie auf. »Ich hasse diesen Ort«, sagte sie leise.
    »Ich weiß.« Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und glitt neben ihr zu Boden.
    »Das ist nicht mein Zuhause«, fuhr sie fort. »Es gibt nur einen Ort, an dem ich mich jemals zu Hause gefühlt habe.«
    Dreitausend Meter unter der Oberfläche des Pazifik. Ein wunderschönes, dunkles Universum voller Ungeheuer und Wunder, das nicht mehr existierte.
    »Wo ist man schon wirklich zu Hause?«
    Es war Desjardins, der gesprochen hatte. Lubin sah zu ihm hinüber.
    »Alice hat ein wenig herumgeschnüffelt und dabei Wege eingeschlagen, die für meinen Geschmack etwas zu … politisch sind.« Desjardins tippte sich gegen die Schläfe. »Aber sie ist auf ein paar interessante Neuigkeiten gestoßen, und es stellt sich die Frage: Wo ist man wirklich zu Hause? Dort, wo das Herz schlägt, oder dort, wo die eigenen Eltern wohnen?«
    Lubin sah Lenie Clarke an. Sie erwiderte seinen Blick. Keiner von ihnen sagte etwas.
    »Nun ja. Eigentlich spielt das auch keine Rolle«, sagte Desjardins. »Wie es aussieht, werden Sie so oder so dorthin zurückkehren können.«

Eine Nische
    Der mittelatlantische Meeresrücken ist kein besonders guter Ort, um Kinder großzuziehen, dachte Patricia Rowan.
    Nicht dass es viele Alternativen gegeben hätte. Genau genommen waren es drei gewesen: eine Zufluchtsstätte an Land zu bauen und sich auf die herkömmliche Quarantänetechnik zu verlassen, sich in die Erdumlaufbahn zu flüchten oder sich hinter dieselbe kalte, schwere Barriere zurückzuziehen, die die Erde seit vier Milliarden Jahren geschützt hatte, bis N'AmPaz ein Loch in das globale Kondom gerissen hatte.
    Sie hatten alle möglichen Analysen durchgeführt. Die Weltraum-Alternative war die kostspieligste gewesen und darüber hinaus am verwundbarsten gegenüber Racheakten von der Erdoberfläche aus: Orbitalstationen waren nicht gerade unauffällige Ziele. Und man konnte davon ausgehen, dass zumindest einige der Leute, die sie zurückließen, wütend genug wären, um ein oder zwei Atomsprengköpfe in die Schwerkraftsenke hinaufzuschießen. Und wenn die Quarantänetechnik an der Oberfläche verlässlich wäre, wäre es gar nicht erst zu dieser Situation gekommen. Diese Möglichkeit war vermutlich nur aufs Tapet gebracht worden, um den bürokratischen Vollständigkeitswahn zu befriedigen. Oder vielleicht als eine Art kranker Witz.
    Es hatte auch noch eine vierte Alternative gegeben: Sie hätten einfach da bleiben und sich – wie alle anderen auf der Welt – ßehemoth stellen können. Schließlich waren sie dagegen immunisiert worden. Selbst wenn sie an Land geblieben wären, wären sie von der Desintegration, die allen anderen drohte, verschont geblieben. Kein Haarausfall, kein Verlust von Fingernägeln, keine nässenden Wunden, keine Gliedmaßen, die an den Gelenken auseinanderbrachen. Keine Erblindung, keine Geschwüre. Keine Kurzschlüsse im Gehirn, wenn sich die Isolierung von den Nervensträngen ablöste. Keine inneren Organe, die sich in Brei verwandelten. Keine der tausend opportunistischen Krankheiten, die für gewöhnlich als unmittelbare Todesursache angegeben wurden. Sie hätten an der Oberfläche bleiben und zuschauen können, wie alle anderen starben, sie hätten sich ihr Essen aus den Elementen synthetisieren können, wenn die Biosphäre zusammengebrochen war.
    Über diese Möglichkeit war allerdings nicht sonderlich lange diskutiert worden.
    Wir laufen nicht einmal vor ßehemoth weg. Sondern vor unseren eigenen Bür gern.
    Ganz Atlantis wusste das, auch wenn niemand darüber sprach. Sie hatten von ihren Penthäusern aus die Horden gesehen, die sich zusammenrotteten, und die Exponentialkurve der Bürgerunruhen , die in den Grafiken parallel zum Faktor Zeit immer weiter angestiegen war. ßehemoth in Verbindung mit dem Clarke-Mem: eine Bedrohung, die stark genug, und ein Vorbild, das überzeugend genug war, und plötzlich war der Aufstand gar nicht mehr die üblichen drei Mahlzeiten weit entfernt.
    Wir hatten Glück, dass wir noch rechtzeitig entkommen sind , dachte Rowan.
    Doch es war ihnen gelungen, und hier waren sie nun: mehrere hundert Firmenbosse und das notwendige Hilfspersonal, mitsamt ihren Familien und sonstigem Anhang. Termiten, die sich in drei Kilometern Tiefe eingegraben hatten, in einer

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