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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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ganz in Schwarz gekleidet …
    »Was ist passiert?«
    »Was … was …«
    »Ich werde nicht aufgeben!«, zischte sie und schleuderte ihn gegen einen Maschendrahtzaun. Ihr Atem wirbelte zwischen ihnen auf wie Nebel, der von hinten angestrahlt wurde. »Er hat seine Injektionen erhalten, Tausend verdammte Injektionen, und ich werde ihn nicht einfach so gehen lassen!«
    »Wer … was sind Sie?«
    Plötzlich hielt sie inne. Sie legte den Kopf schief, als würde sie ihn zum ersten Mal sehen.
    »Wo, zum Teufel, kommen Sie auf einmal her?«, fragte sie absurderweise.
    Sie war mindestens fünfzehn Zentimeter kleiner als er, doch aus irgendeinem Grund kam es ihm nicht in den Sinn, sich zu wehren.
    »Ich bin nicht … ich … ich war nur auf dem Weg nach Hause …«, brachte Dutton schließlich heraus.
    »Diese Wohnung«, sagte die Frau. Ihre Augen – trug sie irgendeine Art Nachtsichtbrille? – bohrten sich in seine.
    »Was für eine Wohnung?«
    Sie schleuderte ihn erneut gegen den Maschendrahtzaun. »Diese Wohnung da!« Sie deutete mit dem Kinn auf etwas hinter seiner linken Schulter. Dutton drehte den Kopf – ein weiteres Gemeinschaftsapartment, intakt, aber leerstehend und dunkel.
    »Diese Wohnung? Ich weiß nicht …«
    »Ja, diese Wohnung! Yves Scanions verdammte Wohnung. Kennen Sie ihn?«
    »Nein, ich … ich meine, ich kenne hier eigentlich niemanden weiter. Wir bleiben eher unter …«
    »Wo ist er hingegangen?«, zischte sie.
    »Hingegangen?«, wiederholte er schwach.
    »Die Wohnung ist vollkommen leer! Keine Möbel, keine Kleider, nicht einmal eine verfluchte Glühbirne!«
    »Vielleicht … vielleicht ist er ausgezogen … das Erdbeben …«
    Ihre Finger krallten sich noch fester in seine Kleider, und sie beugte sich so dicht an ihn heran, dass sich ihre Lippen beinahe berührten. »Seine Wohnung hat nicht einmal einen verdammten Kratzer abbekommen. Warum sollte er ausziehen? Und wie sollte er das tun? Er ist ein Niemand, ein verfluchter pissant . Glauben Sie, er könnte einfach seine Sachen packen und an der Quarantäne vorbeikommen?«
    Dutton schüttelte heftig den Kopf. »Ich weiß es nicht … wirklich, ich weiß es nicht …«
    Sie blickte ihn noch einen Moment lang an. Ihre Haare waren nass, obwohl es den ganzen Tag nicht geregnet hatte. »Ich … ich kenne Sie nicht …«, murmelte sie, wie an sich selbst gewandt. Langsam öffneten sich ihre Fäuste. Dutton sank gegen den Zaun.
    Sie trat einen Schritt zurück und gab ihm damit mehr Bewegungsfreiheit.
    Darauf hatte er gewartet. Er griff mit der Hand unter seine Jacke. Der Taser traf sie in den Brustkorb, direkt unterhalb einer seltsamen Metallscheibe, die in ihre Uniform eingenäht war. Sie hätte augenblicklich zu Boden gehen müssen.
    Doch innerhalb dieses einen Augenblicks:
    Sie blinzelte …
    Ihr rechtes Knie kam hoch und traf ihn mit voller Wucht. Natürlich trug er einen Tiefschutz, aber es tat trotzdem höllisch weh …
    Ihre rechte Hand zuckte nach vorn und griff an ihre angehobene Wade. Etwas glitt hinein …
    Mit ausgestrecktem Arm trat die Verrückte einen Schritt zurück. Zwei Zentimeter von Duttons Gesicht entfernt schwebte ein ebenholzfarbener Stab in der Luft, mit einem winzigen Stachel an der Spitze, wie eine Mamba mit nur einem Zahn.
    Zu dem Schmerz in seinem Schritt gesellte sich plötzlich eine feuchte Wärme.
    Sie schenkte ihm ein kleines, furchterregendes Lächeln. »In letzter Zeit mal eine Mikrowelle benutzt, kleiner Mann?«
    »W-w-was?«
    »Oder andere Küchengeräte? Sensoren? Heizen Sie Ihr Haus im Winter?«
    Er nickte. »Ja. Ja, natürlich …«
    »Ha!« Die Mamba wackelte über seinem linken Auge hin und her. »Dann habe ich mich geirrt. Ich kenne Sie doch!«
    »Nein«, stammelte er. »Wir sind uns noch nie …«
    »Ich kenne Sie«, wiederholte sie. »Und Sie schulden mir was.«
    Ihr Daumen drückte auf etwas am Griff des Stabs. Dutton hörte ein leises Klicken.
    »Bitte …«, flehte er.
    Und erstaunlicherweise schien irgendetwas sein Flehen zu erhören.
     
    Hongcouver war natürlich immer noch Katastrophengebiet. Die Polizei hatte wichtigere Sorgen als eine merkwürdige Erscheinung, die irgendein überängstlicher Schwachkopf meldete. Der Server nahm Duttons Anzeige trotzdem entgegen. Der Server war zwar nicht menschlich, aber er war intelligent genug, um Anschlussfragen zu stellen – wie zum Beispiel, ob ihm etwas – irgendetwas – aufgefallen war, das dazu geführt haben mochte, dass seine Angreiferin so plötzlich von

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