Mahlstrom
dessen halber Blutkreislauf im Patentamt registriert ist.« Jovellanos hatte noch keine Injektionen erhalten. In ihrer augenblicklichen Position brauchte sie sie nicht, aber sie war zu gut in ihrem Job, um noch lange dort zu bleiben. Desjardins freute sich schon auf den Tag, wenn ihre selbstgerechten Ansichten über die Unverletzlichkeit des freien Willens in Widerstreit mit den gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für eine Beförderung treten würden. Höchstwahrscheinlich würde sie einen Blick auf die Liste der Sonderzulagen und ihr neues Gehalt werfen und nachgeben.
Das hatte er jedenfalls getan.
Er drehte seinen Stuhl wieder zur Konsole um und holte die Korrelationsmatrix auf den Schirm. »Schau dir das an. Die Chlorophylle nehmen ab, und die Bodentemperatur steigt.«
»Gewaltiger p-Wert«, sagte Jovellanos.
»Kleine Stichprobe. Aber darum geht es nicht. Schau dir die Verzögerungszeit an.«
Sie beugte sich vor. »Das sind ziemlich hohe Vertrauensgrenzen.«
»Die Verzögerungszeit ist nicht gleichbleibend. Manchmal dauert es ein paar Tage, bis die Temperatur ansteigt, dann wieder ein paar Wochen.«
»Das ist nicht einmal ein richtiges Muster, Killjoy. Alles, was …«
»Rate mal, in welcher Größenordnung sich das Ganze bewegt.«
»Es geht um einen Verlust an Bodenbewuchs, richtig?« Jovellanos zuckte die Achseln. »Einmal angenommen, es handelt sich tatsächlich um einen echten Effekt, vielleicht ein halbes Grad? Ein Viertel?«
Desjardins zeigte ihr die Ergebnisse.
»Heilige Scheiße«, sagte sie. »Diese Mikrobe löst Feuer aus?«
»Irgendetwas jedenfalls tut das. Ich habe die kommunalen Archive entlang der Küste durchsucht: sämtliche Feuersbrünste, die es in der Gegend gegeben hat. Die meisten von ihnen wurden auf terroristische Anschläge oder ›Industrieunfälle‹ zurückgeführt. Auch ein paar Baumschulen wurden niedergebrannt, wegen irgendeines Pflanzenschädlings … einer Wicklerart oder so.«
Jovellanos stand dicht hinter ihm, und ihre Hände flogen über seine Konsole. »Wie steht es mit anderen Feuern in der Gegend …«
»Oh, es hat jede Menge gegeben. Allein auf das Suchfenster beschränkt habe ich acht oder neun gefunden, die nicht ins Bild passen. A war mit B verknüpft, aber nicht anders herum.«
»Also vielleicht doch nur ein Zufallstreffer«, sagte sie hoffnungsvoll. »Vielleicht hat das alles nichts zu bedeuten.«
»Oder vielleicht weiß jemand anderes besser als wir, wie diese Mikrobe aufzuspüren ist.«
Jovellanos schwieg einen Moment lang. Dann sagte sie: »Nun, möglicherweise können wir unsere eigene Suche von jetzt an ein wenig präzisieren.«
Desjardins blickte hoch. »Ach ja?«
»Ich habe diese Probe analysiert, die sie uns gegeben haben. Sie machen es uns nicht gerade leicht. Soweit ich feststellen konnte, haben sie nicht eine einzige intakte Organelle übrig gelassen …«
Er machte eine ungeduldige Handbewegung. »Für eine Gesamtdarstellung spielt das keine Rolle.«
»Nur wenn die Probe noch sämtliche Bestandteile enthält, nachdem sie sie durch den Fleischwolf gedreht haben.«
»Natürlich tut sie das. Sonst könntest du keine korrekte Signatur entwickeln.«
»Nun, aber ich finde eine Menge Dinge nicht, die eigentlich da sein sollten. Es gibt nicht einmal Phospholipide. Da sind zwar jede Menge Nukleotide, aber ich finde keine DNA-Matrize, zu der sie passen würden. Deine Mikrobe basiert also höchstwahrscheinlich auf RNA.«
»Aha.« Das war nicht weiter überraschend – eine Menge Mikroben kamen sehr gut ohne DNA zurecht.
»Mir ist es außerdem gelungen, ein paar einfache Enzyme zu rekonstruieren, aber sie sind ein wenig zu steif in den Gelenken, um richtig zu funktionieren, verstehst du? Ach ja, und dann war da noch etwas Seltsames: Ich habe D-Aminosäuren gefunden.«
»Ah.« Desjardins nickte weise. »Und was genau bedeutet das?«
»Sie besitzen rechte Seitenketten. Die asymmetrischen Kohlenstoffatome sitzen an der falschen Seite des Moleküls. Wie die normalen Aminosäuren mit ihren linken Seitenketten, nur anders herum.«
Ein Spiegelbild. »Und?«
»Und das macht sie vollkommen nutzlos. Seit mindestens drei Milliarden Jahren sind sämtliche Stoffwechselbahnen auf L-Aminosäuren ausgelegt, und zwar ausschließlich auf L-Aminosäuren. Es gibt ein paar Bakterien, die R-Aminosäuren enthalten, gerade weil sie nutzlos sind – sie bauen sie in ihre Zellwände ein, damit sie nicht verdaut werden können –, aber damit haben wir es hier
Weitere Kostenlose Bücher