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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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verstauchen.«
    Wie ein Stein, der aus einer Schleuder katapultiert wurde, rannte die Frau los.
     
    »Oh, na klar«, sagte Bridson.
    Die Frau lief den Highway hinunter, mitten auf der Straße, die Augen auf den Asphalt gerichtet, und sprang dabei über Risse, die breit genug waren, dass sich ein menschlicher Fuß darin hätte verfangen können. Wenn nichts sie aufhielt, würde sie in etwa einer Minute direkt gegen die Absperrung prallen.
    Aber natürlich würde irgendetwas sie aufhalten.
    Ein Signalton von den Mechfliegen; der Eindringling hatte gerade ihren Verteidigungsradius betreten. Boyczuk richtete eine der Kameras der Absperrung auf den Himmel. Die Mechfliege, die dem Ziel am nächsten war, verließ ihren Posten und ging auf Abfangkurs. Dem einprogrammierten Schwarmverhalten folgend flogen die Fliegen in ihrer unmittelbaren Umgebung hinter ihr her, als hingen sie an einem unsichtbaren Faden. Ein aus einzelnen Punkten bestehendes Scheinfüßchen, auf der Jagd nach Beute.
    Die Läuferin zog zum Straßenrand hinüber und warf einen raschen Blick in die Tiefe. Zehn Meter unter ihr nagte braunes, brodelndes Wasser hungrig an der Wand der Schlucht.
    »Sie nähern sich einem Sperrgebiet«, schimpfte die vorderste Mechfliege. »Bitte kehren Sie um.« An ihrem Bauch begann ein rotes Licht zu pulsieren.
    Die Frau lief noch schneller und warf erneut einen Blick zum Fluss hinunter.
    »Was, zum Teufel …?«, fragte Boyczuk.
    Ein kleiner Flecken der Fahrbahn explodierte vor der Läuferin: ein Warnschuss. Sie taumelte und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren.
    »Wir sind befugt, Gewalt anzuwenden«, warnte die Mechfliege. »Bitte kehren Sie um.« Die beiden Fliegen hinter ihr feuerten ebenfalls Schüsse ab.
    Die Läuferin wich ihnen im Zickzack aus und hielt sich dabei auf der Westseite der Straße. Immer wieder blickte sie in die Tiefe …
    Boyczuk lehnte sich nach vorn. Moment mal …
    Hinter der Läuferin brach sich tosend das Wasser an einer Ansammlung gefährlich scharfkantiger, hausgroßer Felsbrocken. Jeder, der dort hineinfallen würde, würde innerhalb von zwei Sekunden zermalmt werden. Näher am Damm jedoch – im Windschatten seines unversehrten Endes, das ganz in der Nähe war – war das Wasser vielleicht sogar ruhig genug, um …
    »Verdammt.« Boyczuk betätigte die Zündung. »Sie wird springen. Sie wird springen!«
    Hinter ihnen nahmen die Turbinen jaulend Fahrt auf. »Wovon sprichst du?«, fragte Bridson.
    »Sie wird … oh, verdammt …«
    Die Frau stolperte und wirbelte herum. Ihre Füße rutschten über den losen Schotter. Boyczuk zog den Steuerknüppel zurück. Mit einem Whupp-whupp-whupp löste sich der Hubschrauber langsam vom Boden. Zehn popelige Sekunden von der Zündung bis zum Abheben, die Creme de la creme der Geschwindigkeitsreaktionsfahrzeuge weltweit, und trotzdem war der Hubschrauber kaum schnell genug, um die Absperrung hinter sich gelassen zu haben, als die Frau mit dem Rucksack auch schon mit rudernden Armen über den Fels schlitterte und von der Klippe sprang. Es war nicht ganz die Stelle, die sie hatte erreichen wollen, und auch nicht ganz die Art, wie sie hatte springen wollen, doch ihr blieb keine andere Wahl mehr, sie musste den kurzen, spektakulären Flug durch die Luft wagen …
    Die Mechfliegen schossen auf sie, während sie herabstürzte. Der Fluss verschluckte sie wie eine Wasserlawine.
    »Mannomann«, keuchte Bridson.
    »Infrarot«, fauchte Boyczuk. »Ich will alles sehen, was auch nur ein Grad von der Umgebungstemperatur abweicht.«
    Unter ihnen rauschte unaufhörlich der Fräser dahin.
    »Komm schon, Boss. Die taucht nicht mehr auf. Inzwischen ist sie längst einen Kilometer flussabwärts – oder jedenfalls das, was noch von ihr übrig ist.«
    Boyczuk warf ihr einen wütenden Blick zu. »Tu es einfach, okay?«
    Bridson bediente die Steuerung. Falschfarbmosaiken von der Kamera am Bauch des Hubschraubers leuchteten auf.
    »Soll ich die Mechfliegen herholen?«, fragte Bridson.
    Boyczuk schüttelte den Kopf. »Wir können die Grenze nicht unbewacht lassen.« Er zog das Fluggerät herum und steuerte es in westliche Richtung die Schlucht hinunter.
    »He, Boss?«
    »Ja?«
    »Was ist da gerade passiert?«
    Boyczuk schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich glaube, sie wollte das Stauwasser direkt vor dem Damm erreichen.«
    »Aber wozu? Damit ihr ein paar Minuten zum Ertrinken oder Erfrieren bleiben, ehe sie vom Strom erfasst wird?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er noch

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