Mahlstrom
einmal.
»Es gibt einfachere Möglichkeiten, sich umzubringen.«
Boyczuk zuckte mit den Achseln. »Vielleicht war sie auch bloß verrückt.«
Es war 13:34 Uhr Standardzeit in den Bergen.
Die flussaufwärts weisende Seite des Hell's-Gate-Damms war nie zur öffentlichen Zurschaustellung gedacht gewesen. Bis vor kurzem war der größte Teil davon noch unter dem eingekesselten Wasser des Fräser begraben gewesen. Jetzt lag sie frei – eine von Rissen durchzogene, schmucklose graue Mauer, die sich aus einem Schlammfeld erhob. Direkt über dem Schlamm war die Barriere mit Gefällezuführungen gespickt, wie eine Reihe offener Münder. Verriegelte Gitter aus Betonrippenstahl verhinderten, dass sie etwas verschluckten, das groß genug war, um in einer Turbine stecken zu bleiben.
Wie sich herausstellte, waren Menschen nicht groß genug dafür.
Die Turbinen waren natürlich ohnehin tot und kalt. Von ihnen hätte jedenfalls nicht die Wärmesignatur ausgehen können, die plötzlich an der östlichsten Einlassöffnung auftauchte. Eine der Mechfliegen am Hell's Gate registrierte die Signatur um 13:53 Uhr Standardzeit: ein Objekt, dessen Oberflächentemperatur etwa 10 °C über der der Umgebung lag, kam aus dem Innern des Damms und glitt in den Schlamm hinab. Die Mechfliege veränderte ein wenig ihre Position, um bessere Sicht zu haben.
Die Oberflächentemperatur des Objekts war zu niedrig für einen Menschen. Die Mechfliege war kein Genie, aber sie konnte die Spreu vom Weizen trennen. Selbst wenn sie isolierte Kleidung trugen, besaßen Menschen Gesichter, die sie mit ihrer Hitze verrieten. Die Isolation dieses Objekts war viel gleichmäßiger, die Isothermen weniger heterogen. Mit dem Begriff »pelzbesetztes Säugetier« hätte die Mechfliege natürlich wenig anfangen können. Dennoch verstand sie das Konzept auf ihre eigene beschränkte Weise. Dieses Objekt war nichts, worauf man seine Zeit verschwenden musste.
Die Mechfliege kehrte auf ihren Posten zurück und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder nach Westen, aus dem die wahren Bedrohungen kommen würden. Im Augenblick kehrte allerdings lediglich etwas Großes, Schwarzes, Insektenähnliches zu seinem Ruheplatz zurück.
Aus seinem Transponder drang ein freundliches, beruhigendes Gurren. Die Mechfliege machte Platz, um es vorbei zu lassen, und schwebte wieder auf ihre Position zurück, während der Hubschrauber hinter der Absperrung landete. Menschen und Maschinen standen Schulter an Schulter und hielten für die gesamte Menschheit Wache.
Doch sie blickten in die falsche Richtung. Lenie Clarke hatte die Zone verlassen.
Das Nächstbeste
Registrierungshilfe.
»Clarke, Indira. Clarke mit einem ›e‹ am Ende. Apartment 133, Citi-Corp, Coulson Avenue, Sault Sainte Marie.«
Clarke, Indira
Apartment 133, CitiCorp421, Coulson Ave.
Sault Sainte Marie, Ort
Korrekt?
»Ja.«
Kein Treffer. Kennen Sie Indira Clarkes WestHem-Id#?
»Äh … nein. Die Adresse stimmt vielleicht nicht mehr. Es ist fünfzehn oder sechzehn Jahre her.«
Aktuelle Archive reichen drei Jahre zurück. Kennen Sie Indira Clarkes zweiten Vornamen?
»Nein. Aber sie hat im Mahlstrom gefischt. Freiberuflich, glaube ich.«
Kein Treffer.
»Wie viele Indira Clarkes gibt es in Sault Sainte Marie?«
Fünf.
»Wie viele mit einem Kind, weiblich, geboren am … im Februar … äh …«
Kein Treffer.
»Warte. Im Februar … irgendwann im Februar 2018 …«
Kein Treffer.
»…«
Möchten Sie eine weitere Anfrage starten?
»Wie viele in ganz N'AmPaz, deren Beruf die Mahlstromfischerei ist, mit nur einem weiblichen Kind, geboren im Februar 2018, mit Namen Lenie?«
Kein Treffer.
»Dann eben auf der ganzen Welt?«
Kein Treffer.
»Das ist unmöglich.«
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»Das ist verdammt noch mal unmög …«
Verbindung unterbrochen.
Verbreitungsgebiet
Entweder/oder blickte ihn vorwurfsvoll von der Hauptanzeige an. Desjardins erwiderte den Blick, so lange er es wagte, und das mulmige Gefühl in seinem Magen wurde immer stärker. Dann riss er sich
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