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Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
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den Mangel an Details auf die Atmosphäre zurück, aber nein, der Computer stellte fest, dass sich das Objekt in Bewegung befand. Allerdings nur auf einer Achse, weswegen sich die Bildschärfe leicht korrigieren ließ.
    Der Punkt wurde klarer. Außer den Umrissen waren immer noch keine Einzelheiten zu erkennen, doch es sah wie eine Art Fahrzeug aus. Irgendwie wirkten die Umrisse vertraut, doch Desjardins kam nicht darauf, was es sein könnte. Er ließ die Silhouette den gewerblichen Standardkatalog durchlaufen und erhielt kein Ergebnis.
    Verdammt , dachte er. Ich weiß, was das ist. Ich weiß es.
    Was ist es?
    Zehn Minuten lang betrachtete er das Bild. Dann rief er wieder den Katalog auf.
    »Bildauflösung zurücksetzen«, befahl er. »Fahrzeugerkennung ausschalten. Suche nach Fahrzeugkomponenten, Standardkatalog.«
    Dieses Mal dauerte es länger. Das Ganze war deutlich kleiner als die Summe seiner Teile. Befehl wird bearbeitet , blinkte es zwei Minuten lang auf seiner Anzeige, bevor etwas Substantielleres darauf auftauchte:
     
    Brander, Mi/ke/cheal
    Caraco, Jud/y/ith
    Clarke, Len/ie
    Lubin, Ken/neth
    Nakata, Alice
     
    Die Namen schwebten über dem körnigen Bild und weigerten sich standhaft, irgendeinen Sinn zu ergeben.
    Desjardins erkannte sie natürlich. Als er sich näher mit der Station Beebe befasst hatte, war auch eine Mannschaftsliste auf dem Schirm aufgetaucht. Aber dieses Fenster hatte er bereits wieder geschlossen – und die Namen sollten außerdem nicht auf der Hauptanzeige zu sehen sein.
    Vermutlich eine Softwarestörung. Verirrte Photonen, die durch irgendein Stück fehlerhafte Quantenisolierung getunnelt waren. Das kam vor – im Mahlstrom ständig, aber hin und wieder sogar in der sonst so makellosen Zuflucht . Er murmelte einen Fluch und gab ein paar Befehle in seine Konsole ein, um die Anzeige zu löschen. Gehorsam verschwand der verirrte Text.
    Doch einen kurzen Augenblick lang flackerte an seiner Stelle noch etwas anderes auf. Ein normaler Zivilist hätte es nicht einmal bemerkt. Desjardins hingegen schon: Textelemente, auf Englisch. Ein paar Worte – Racheengel, Amphibie, Vampir – sprangen ihm ins Auge, doch das meiste davon verschwand so schnell, dass nicht einmal er mit seiner optimierten Wahrnehmung es erfassen konnte.
    Auch das Wort Beebe tauchte darin auf.
    Und als eine Sekunde später die Ergebnisse des Standardkatalogs auf seiner Anzeige zu sehen waren, rückte Beebe ins Zentrum von Desjardins' Gedanken.
    Gewerbelifter erkannte man an ihren gewaltigen Blasen aus hartem Vakuum; schwebende Tori, die sie am Himmel hielten. Das Fahrzeug, das Desjardins entdeckt hatte, besaß nicht die Silhouette eines Gewerbelifters, weswegen der Katalog es anfangs nicht erkannt hatte. Es hatte keine Hebeblase – einmal abgesehen von ein paar zerrissenen Fetzen, die das Fahrzeug hinter sich herzog. Auf dem Bild war lediglich ein Shuttle-Tauchboot zu sehen, das am Bauch des Lenkmoduls eines Lifters klebte … und nach unten stürzte.

Ausbruch
    Mit jeder Sekunde rauschten zwölftausend Kubikmeter Wasser durch eine fünfunddreißig Meter breite Verengung. Es hieß nicht umsonst Hell's Gate .
    Generationen waren hierhergekommen, um staunend den Mund aufzureißen. Seilbahnen waren gefährlich schwankend über die Schlucht gefahren, um Touristen auf der Suche nach Nervenkitzel einen Blick auf die reißenden, schäumenden Wassermassen zu ermöglichen. Stromversorgungsunternehmen hatten angesichts all der verschwendeten Megawatts Tränen in den Augen gehabt; Milliarden Joules, die sinnlos in den Ozean strömten und nicht genutzt werden konnten. So nah und doch so fern.
    Dann war die Welt aus dem Gleichgewicht geraten. Sie hatte sich erst auf eine Seite geneigt, dann auf die andere, und die Maschinerie, die sie aufrecht hielt, schien mit jedem Tag hungriger zu werden. Der Fräser war an Dutzenden Stellen aufgestaut worden, um diesen Appetit zu stillen. Hell's Gate hatte sich am längsten widersetzt – anfangs unantastbar, dann lediglich unerschwinglich. Schließlich beinahe wirtschaftlich.
    Und am Ende zwingend erforderlich.
    Das Jahrhundertbeben war durch die Berge gewandert wie eine Guerilla-Bande, hatte hier alles zerschmettert, dort jedoch nur wenige Spuren hinterlassen. An Hope und Yale war es vorbeigezogen, ohne dass eine einzige Fensterscheibe zerbrochen war. Hell's Gate befand sich gut zweihundert Klicks stromaufwärts. Es hätte Grund zur Hoffnung bestanden, wenn Zeit dafür geblieben wäre.
    Eine

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