Maienfrost
von ihr angemieteten Räumen gehörte, war eingeschlagen worden. Nachdem der Einbrecher sich auf diese Weise Zutritt verschafft hatte, drang er in den Laden ein. Der Dieb schien zielstrebig vorgegangen zu sein. Bis auf das kaputte Fenster hatte er weder etwas verwüstet, noch aufgebrochen. Sein Augenmerk galt auch nicht dem in der Kasse befindlichen Geld. Larissa Sommer hatte sich sogleich davon überzeugt. Bei einer von ihr daraufhin durchgeführten Bestandsaufnahme in ihrem hinter dem Verkaufsraum liegenden Warenlager fand die Geschäftsinhaberin jedoch schnell heraus, worauf der Einbrecher es abgesehen hatte. Allem Anschein nach interessierte er sich für einige der von ihr gefertigten Brautkleider. Drei von ihnen fehlten. Verwundert stellte Larissa Sommer fest, dass die fehlenden Modelle völlig identisch waren. Selbst die Konfektionsgröße stimmte überein. Ging man von dieser aus, so mussten die Frauen, für die diese Kleider bestimmt waren, allesamt klein und zierlich sein. Passend zu den aus blütenweißer Seide bestehenden Brautgewändern fehlten drei Paar eleganter weißer Absatzpumps der Größe 37. Auch die zur Hochzeitsausstattung gehörenden Schleier schienen sich in Luft aufgelöst zu haben.
Kommissar Boström dachte sofort an die Leiche im Jasmund. Konnte es sein, dass eines der gestohlenen Kleider für sie bestimmt war? Er musste sich Gewissheit verschaffen. Die Kleider, die Lea Goldbach trug, befanden sich in der Asservatenkammer des Bergener Polizeireviers. Er bat Larissa Sommer ihn dorthin zu begleiten. Entsetzen zeichnete sich auf den Zügen der Frau ab, als sie das mit Blut besudelte Gewand samt Schleier und Schuhen als eines der von ihr gestohlenen Modelle erkannte.
»Sind Sie auch völlig sicher«, wollte der Kommissar wissen, »dass es sich hierbei um eines Ihrer Brautkleider handelt?«
»Ganz sicher«, erwiderte die geschockte Boutiqueinhaberin. »Sehen Sie das Etikett?« Mit zitternden Händen wies sie auf einen schmalen Stoffstreifen, der durch die transparente Plastikhülle, in der das Beweisstück aufbewahrt wurde, zu erkennen war. Er trug den Aufdruck: ›Brautmoden L.S.‹
»Das Kleid gehört eindeutig zu einer von mir erst kürzlich erstellten Kollektion. Ich habe dieses Modell persönlich entworfen und es ist nur in meinem Laden erhältlich.«
Die Antwort ließ keine Zweifel mehr offen. Verbunden mit dem Wissen, woher das Kleid der Toten stammte, stellte sich eine erschreckende Erkenntnis ein. Für den Bruchteil einer Sekunde schien des Kommissars Herzschlag auszusetzen. Konnte es sein …? Er wagte den Gedanken nicht zu Ende zu denken.
Als Peer Boström an diesem Abend die Wache verließ, war es bereits nach zweiundzwanzig Uhr. Obwohl zum Umfallen müde, trieb ihn eine innere Unruhe anstatt in sein Bett zu Henning. Wie erhofft, war dieser noch wach und hocherfreut, ihn zu sehen. Peer kam sogleich auf den Grund seines Kommens zu sprechen. Mit knappen Worten berichtete er, was sich seit ihrem letzten Gespräch ereignet hatte.
»Von dem Augenblick an, als die Ladeninhaberin Leas Kleid eindeutig als eines ihrer Modelle identifizierte, geistert ein beängstigender Verdacht durch meinen Kopf«, beschloss Peer seine Ausführungen. Er wirkte bedrückt.
Henning verstand. »Du siehst einen Zusammenhang zwischen den Lilien und den Kleidern«, brachte er die Bedenken seines jungen Kollegen auf den Punkt. »Gleichzeitig scheust du dich davor, die daraus resultierende Konsequenz zu ziehen. Denn wenn du das tätest, dann müsstest du angesichts der magischen Zahl drei, die sich mit beiden verbindet, in Betracht ziehen, dass der Mord an Lea kein Einzelfall war, sondern vielmehr der Auftakt zu einer ganzen Serie. Du vermutest, dass mit zwei weiteren Opfern zu rechnen ist. Wenn du gekommen bist, um dir deine Annahme von mir bestätigen zu lassen, dann muss ich dir sagen, dass sie auch mir begründet erscheint. Die Aussicht, es mit einem Serienmörder zu tun zu haben, ist mehr als beängstigend. Hoffen wir, dass wir uns täuschen.«
Doch noch während er sprach, wurde Henning bewusst, dass dieser fromme Wunsch nicht in Erfüllung gehen würde. Vielmehr befürchtete er, dass das, was bisher geschah, nichts im Vergleich zu dem war, was auf sie zukommen würde, wenn sich ihre Vermutung bewahrheiten sollte.
Angesichts der Tatsache, dass alle bisherigen Spuren im Sande zu verlaufen schienen, war Eile geboten. Einzig die Zahl drei deutete auf einen möglichen Zusammenhang hin. Und selbst der
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