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Maienfrost

Maienfrost

Titel: Maienfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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Polizei mir macht, weil sie verständlicherweise Ergebnisse erwartet, kommt nun auch noch jener hinzu, den die Familie der Toten auf mich ausübt. Sie verlangen von mir, die Leiche zur Beerdigung freizugeben.«
    »Wir wollen Ihre wertvolle Zeit nicht länger als unbedingt notwendig in Anspruch nehmen«, brachte Henning die Sprache auf den Grund seines Hierseins. »Wir sind lediglich hergekommen, um einige noch offene Fragen zu klären.«
    Bevor er weitersprach, zückte er einen Stift und zog ein schwarz eingebundenes Notizbuch aus seiner Jackentasche hervor. »Zunächst einmal würde es mich interessieren«, begann er, »ob die Tote Opfer einer Sexualstraftat wurde?«
    »Das kann ich definitiv ausschließen«, versicherte ihm der Pathologe. »Und um Ihre nächste Frage vorwegzunehmen, es lag auch keine Schwangerschaft vor. Wie Sie sehen, bin ich gründlich vorgegangen und habe nichts außer Acht gelassen.«
    Henning zweifelte keinen Moment daran. »Dann wäre das ja geklärt«, konstatierte er trocken. »Wie sieht es eigentlich mit dem Fundort aus? Weiß man schon, ob er identisch mit jenem Platz ist, an dem die Frau ermordet wurde?«
    »Auch diese Frage kann ich definitiv mit Nein beantworten. Lea Goldbach starb zwischen zwei und drei Uhr nachts. Eine von mir durchgeführte Analyse des Mageninhalts wies erhöhte Spuren von Diazepam in ihrem Körper nach. Um die Frau damit zu töten, hätte die Dosis höher angesetzt sein müssen. Das Medikament diente lediglich dazu, sie bewusstlos werden zu lassen. Daraus lässt sich für mich die Vermutung ableiten, dass Opfer und Täter einander kannten. Ich denke es könnte sich so abgespielt haben: Er verabreichte ihr einen Drink, den sie anscheinend arglos, zumindest ohne dazu genötigt zu werden, zu sich nahm. Nachdem die Wirkung des Mittels einsetzte, hatte der Mörder leichtes Spiel. Sein Opfer konnte sich schließlich nicht mehr zur Wehr setzten. Das erklärt auch das Fehlen von Kampfspuren. Trotz allem habe ich vorsichtshalber die Fingernägel der Ermordeten untersucht. Es befanden sich jedoch weder Fremdfasern noch Gewebereste darunter. Was vielleicht noch erwähnenswert wäre, ist die Tatsache, dass die Schuhe, die die Tote trug, ihr mindestens eine Nummer zu klein waren. Auch das Kleid, das sie anhatte, entsprach nicht ihrer Größe. Es war eindeutig zu eng. Der Reißverschluss auf der Rückseite stand offen und klaffte auseinander. Ich schließe daraus, dass der Mörder ihr die, von ihm auf Verdacht besorgten Kleidungsstücke anzog, nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte. Nur die Art und Weise, wie er sie dann umbrachte, bleibt mir ein Rätsel. Fest steht, dass sie bereits tot war, als ihr Mörder ihr die Kehle durchschnitt. Die nachträgliche Verstümmelung der Leiche nahm er erst an der Viktoria-Sicht, dem offiziellen Fundort vor.«
    »Weil wir gerade davon sprechen«, unterbrach Henning, der sich eifrig Notizen gemacht hatte, die Ausführungen des Arztes, »es würde mich interessieren, welchen ersten Eindruck Ihnen der Tatort vermittelte, als Sie dort ankamen.«
    Doktor Probst schien verwundert: »Ich bin gewohnt, mich an Fakten, statt an Empfindungen zu halten. Diese Frage sollten sie besser einem Psychologen stellen«, empfahl er.
    »Ich stelle Sie aber Ihnen. Also, welchen Eindruck hatten Sie?«
    Der Arzt dachte nach. »Sie lag da wie aufgebahrt«, gab er nach kurzem Zögern zur Antwort. »Offen gestanden, erinnerte mich ihr Anblick an eine Opferung auf einem Altar.«
    »Eine Opferung?«, platzte Henning dazwischen. Es war ihm anzusehen, dass die Interpretation des Rechtsmediziners ihn überraschte. »Wie kommen Sie denn darauf? Und wem glauben Sie, sollte sie geopfert werden?«
    »Sie haben nach meinem ersten Eindruck gefragt, und genau den habe ich nun wiederzugeben versucht. Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wem dieses Opfer, wenn es denn eines sein sollte, galt. Das herauszufinden ist nicht meine Aufgabe. Diese beschränkt sich darauf, die Todesursache aus medizinischer Sicht abzuklären. Ist Ihnen aufgefallen«, fragte der Arzt nach kurzem Zögern, »dass es sich bei dem Fundort der Leiche, der Viktoria-Sicht, um eines der markantesten Wahrzeichen der Insel handelt? Dem Mörder lag anscheinend daran, dass sein Opfer möglichst bald gefunden wird. Andernfalls hätte er sich eine weniger auffällige Stelle ausgesucht.«
    »Halten Sie es für möglich, dass der Täter uns damit eine Nachricht übermitteln wollte?«
    »Das

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