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Maienfrost

Maienfrost

Titel: Maienfrost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maren Schwarz
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er sich an ihr erstes Zusammentreffen, das sich für ihn als schicksalhaft erwies. Seither verging kein Tag, an dem er nicht an sie dachte, oder wie heute, von ihr träumte. Wie heiße Lava pulsierte leidenschaftliche Erregung durch seine Adern. Eine Erregung, die nur ein Ziel kannte: sie mit Haut und Haaren zu besitzen.
    Nachdem er sich reichlich an ihrem Anblick geweidet hatte, eilte er ihr mit weit geöffneten Armen entgegen. Doch je näher er kam, desto verschwommener nahm er ihre Züge wahr. Ein erschreckender Wandel vollzog sich mit ihr. Von einem Moment auf den anderen mutierte sie vor seinen Augen vom Engel zum Dämon. Ihres Liebreizes beraubt, gebot sie ihm hämisch grinsend Einhalt. »Du Narr! Hast du nicht begriffen, dass ich unerreichbar für dich bin? Genügt es nicht, was ich dir angetan habe?«, wollte die Gestalt, die nunmehr mit dem Antlitz des Teufels zu ihm sprach, wissen. Als er betroffen schwieg, fuhr sie fort: »Erinnere dich! Ich habe dich gedemütigt, deine Liebe ausgenützt und dich betrogen. Dieser drei Sünden machte ich mich schuldig. Deshalb wirst du deinen Frieden erst finden«, flüsterte Satan ihm verheißungsvoll ins Ohr, »wenn du jede Einzelne dieser drei Schmähungen gesühnt hast. Räche dich!«, befahl er ihm. »Ich werde dir beistehen, wie ich dir schon einmal beistand. Du bist nicht allein!«
    Noch während er die Worte vernahm, vollzog sich wiederum ein Wandel im Äußeren seines Gegenübers. Schlagartig wurde ihm klar, wer zu ihm sprach. Kaum durchdrang diese Erkenntnis sein Unterbewusstsein, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen …
    Schweißgebadet schreckte er aus seinem Albtraum hoch. Nachdem sich sein Herzschlag normalisiert und die Erregung nachgelassen hatte, begann er, seinen Verstand zu gebrauchen. Um sich zu konzentrieren, schloss er die Augen. Im selben Moment erwachte ihr Bild zu neuem Leben. Zum wohl tausendsten Mal fragte er sich, ob es sein konnte, dass sie von den Toten wiederauferstanden war. Doch da er ein rational denkender Mensch war, erschien es ihm lächerlich, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Dennoch war er davon überzeugt, dass ihrer Rückkehr eine Bedeutung innewohnte. Die ihn seit dieser Nacht heimsuchenden Albträume waren für ihn die logische Konsequenz auf ihr unverhofftes Erscheinen. Ihr Anblick setzte in seinem Kopf eine tödliche Maschinerie in Gang.
    Nachdem er mit dem Mord an Lea Goldbach die Jagdsaison eröffnet hatte, brauchte er ein neues Opfer.
     
    Das anhaltend hochsommerliche Wetter verleitete ihn dazu, an die Schaabe, einen kilometerlangen waldumsäumten Strandabschnitt, zu fahren. Er stellte seinen Wagen nahe Juliusruh ab. Sein Weg, den er als Strandläufer getarnt einschlug, führte ihn zunächst durch einen schmalen Streifen Kiefernwald zum dahinter liegenden Sandstrand. Der zwischen dem Kap und dem Jasmund liegenden Schaabe eilte nicht nur der Ruf voraus, einer der längsten, sondern wegen seines weißen, feinkörnigen Sandes auch einer der schönsten Strände Rügens zu sein. Nur mit Shorts und einem Achselshirt bekleidet, joggte er gemächlich durchs knöcheltiefe Wasser.
    Mit einer Sonnenbrille getarnt, konnte er die Umgebung unbemerkt nach dem nächsten Opfer absuchen. Verteilt auf bunte Badetücher, aalten sich die Menschenmassen träge in der Sonne. Die hitzeflirrende Luft war erfüllt vom Geschrei spielender Kinder. Während er den Strand entlanglief, hielt er zwischen den Sonnenschirmen und Sandburgen Ausschau nach einem ganz bestimmten Typ Frau: schwarzhaarig und südländisch, dazu klein und zierlich. All diese zwingend erforderlichen Kriterien in einer Person vereint zu finden, erwies sich jedoch schwieriger als zunächst angenommen. Zwar gab es genügend dunkelhaarige Frauen, doch entweder entsprach ihre optische Erscheinung nicht seinen Anforderungen, oder sie waren in Begleitung. Allmählich geriet er außer Atem. Der Schweiß rann in Strömen an ihm herab. Obwohl er einen durchtrainierten Körper besaß, war er es nicht gewohnt, sich unter solch extremen Temperaturbedingungen zu verausgaben. Schließlich lag der Wert, den das Quecksilber anzeigte, schon seit Tagen jenseits der dreißig Gradmarke. Kurz davor, seine Suche abzubrechen, entdeckte er, wonach er die ganze Zeit Ausschau gehalten hatte.
    Das junge Mädchen, auf den sein Blick gefallen war, lag bäuchlings auf einer zitronengelben Badestola und las in einem Taschenbuch. Sie trug einen pinkfarbenen Bikini, der notdürftig ihre überaus reizvollen,

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