Maienfrost
sich laufen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass weit und breit niemand zu sehen war, schloss er zu ihr auf. »Hatten wir nicht ein Date?«, wollte er, alles auf eine Karte setzend, von Lisa wissen.
»Kann schon möglich sein«, meinte sie viel sagend.
Es lag nun an ihm, den von ihr zugespielten Ball gekonnt zurückzugeben: »Für den Fall, dass du heute Abend noch nichts vor hast, würde ich dich gerne zum Essen einladen.« Gespannt wartete er auf eine Antwort.
Wie erhofft, zeigte Lisa Ahrens sich erfreut. Wie hätte das junge Mädchen auch ahnen sollen, dass es damit sein Todesurteil besiegelte.
Was nun kam, war für ihn ein Kinderspiel. Galant erbot er sich, sie mit seinem Wagen nach Hause zu bringen. Nachdem er ihr Gepäck verstaut hatte, öffnete er ihr die Wagentür und ließ sie einsteigen. Ihren Blicken entzogen, beförderte er zwei eisgekühlte Colaflaschen aus einer im Kofferraum befindlichen Kühlbox zum Vorschein. Mit den entkronten Flaschen in der Hand ging er zur Fahrerseite, öffnete die Tür und ließ sich hinter dem Steuer nieder. Lächelnd reichte er seiner Begleiterin das für sie bestimmte Getränk. Arglos nahm diese einen tiefen Schluck. Wie hätte sie auch wissen sollen, dass ihre Cola K.O.-Tropfen enthielt. Entgegen seiner sonst gewählten Strategie hatte er sich für diese Variante entschieden. Zum einen wirkten die Tropfen schneller als das sonst von ihm angewandte Sedativum und senkten somit sein Risiko, dass etwas schief gehen konnte. Zum anderen gefiel ihm die Vorstellung, die Polizei durch das Abweichen von seiner bisherigen Vorgehensweise zu irritieren. Bevor er den Wagen startete, legte er eine CD von Enya ein. Entspannt ließ sich das Mädchen neben ihm in den weichen Sitz zurücksinken. Eine bleierne Müdigkeit, aus der sie nie mehr erwachen sollte, breitete sich unmerklich über ihr aus. Schon nach wenigen Metern war Lisa Ahrens eingeschlafen.
Ein abfälliges, grausames Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er von der Straße in den nächsten Waldweg einbog. Um kein Wagnis einzugehen, hievte er das bewusstlose Mädchen in den Kofferraum seines Wagens. Der Schweiß lief ihm in Strömen übers Gesicht, als er wieder einstieg und auf die Straße fuhr.
Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, dass es kurz vor achtzehn Uhr war. Peinlich darauf bedacht, keine der vorgegebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen zu überschreiten, steuerte er gemächlich sein vorerst nächstes Ziel an.
Das per Fernsteuerung nach oben gleitende Garagentor öffnete sich nahezu lautlos. Er parkte seinen Wagen neben einem dunkelgrünen Transporter. Auf einen weiteren Knopfdruck schloss sich das Tor wieder. Kaum war es eingerastet, flammte helles Deckenlicht auf. Bevor er die Kofferraumklappe öffnete, zog er sich ein paar Latexhandschuhe über.
Lisa Ahrens war noch immer ohnmächtig. Doch als seine kräftigen Arme sie umschlossen und heraushoben, stöhnte sie kaum merklich auf.
Um zu verhindern, dass sie vorzeitig erwachte, entschied er sich, unverzüglich Teil zwei seines Planes in die Tat umzusetzen. Nachdem er das Mädchen auf dem kalten Betonboden der Garage abgelegt hatte, öffnete er die Tür des Transporters, dessen, mit einer eingebauten Versenkung versehene Ladefläche, eine Plastikplane bedeckte. Im Wageninneren befand sich eine Box, der er eine von mehreren verschweißten Einwegspritzen und ein kleines bauchiges Behältnis, das mit einem Gummiverschluss abgedichtet war, entnahm. Mit geschickten Handgriffen entfernte er die eingeschweißte Verpackung. Nachdem er die Plastikkappe von der Kanüle abgezogen hatte, kam eine hauchdünne Injektionsnadel zum Vorschein. Während er die Spritze aufzog, beobachtete er fasziniert, wie sie sich mit der glasklaren Flüssigkeit füllte. Als er seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte, ließ er die Nadel in die hinter Lisa Ahrens Haaransatz verborgene Kopfhaut gleiten, um ihr mittels sanften Kolbendrucks das ihm in seiner Wirkung bestens bekannte Mittel zu injizieren. Ihre daraufhin folgenden Reaktionen überwachend, registrierte er, dass sich ihr Brustkorb noch ein paar Mal hob und senkte. Doch schon bald blieb ihr gleichmäßiges Atmen aus. Triumphierend sah er zu, wie sämtliche Farbe aus ihrem eingefallenen Gesicht wich. Ihre Nase wurde spitz und ihre Augen sanken ein. Um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich tot war, tastete er nach ihrem nicht mehr vorhandenen Puls. Seine zweite Schmach war gesühnt.
Einen Blick auf seine Armbanduhr
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