Maienfrost
ansetzen, wenn er diesen Fall aufklären wollte.
Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Überlegungen. Pascal Austen war am Apparat. Nachdem Henning ihn in wenigen Sätzen vom Grund seines Anliegens in Kenntnis gesetzt hatte, verabredeten sich die beiden Männer für den Nachmittag im Hause des Immobilienmaklers.
Pünktlich zur vereinbarten Zeit traf der Kommissar dort ein. Auf sein Klingeln hin, glitt das schmiedeeiserne Tor mit leisem elektronischem Summen auf. Die Kieseinfahrt, auf deren rechten Seite sich eine geräumige Garage befand, deren geöffnetes Tor den Blick auf eine Reihe äußerst kostspieliger Nobelkarossen freigab, entlang gehend, näherte sich Henning dem Haus. Carmens Mann erwartete ihn am Fuß der Freitreppe. Nachdem sie einander begrüßt hatten, bat er seinen Gast ihm zu folgen. Die mit Marmor ausgelegte Eingangshalle durchschreitend, führte der Hausherr Henning in sein im hinteren Teil des Hauses gelegenes Arbeitszimmer. Der Raum wurde von einem breiten Panoramafenster beherrscht, das den Blick auf den Garten freigab.
Die sich anschließenden Wände waren holzgetäfelt. Der Boden des Zimmers war mit einem flauschigen Teppichbelag ausgelegt, der jeden ihrer Schritte schluckte. Gegenüber dem Schreibtisch stand eine elegante schwarze Ledercouch. Auf Pascal Austens Aufforderung hin, ließ sich Henning darauf nieder. Nachdem er sich bei seinem Gast erkundigt hatte, ob dieser etwas trinken wolle, was der Kommissar jedoch dankend ablehnte, umrundete der Hausherr seinen Schreibtisch und ließ sich in den dahinter stehenden Ledersessel gleiten. Kaum saß er, winkelte er die Arme an und verschränkte die Hände übereinander. Auf seiner hohen Stirn bildete sich eine steile Falte. Sie ließ sein schmales, von dichtem dunklem Haar umrahmtes Gesicht besorgt aussehen. Henning musterte ihn verstohlen. Neidlos musste er eingestehen, dass Pascal Austen von der Natur mit allen Vorzügen ausgestattet worden war. Seine Züge waren markant, sein Körper wirkte durchtrainiert. Er trug ein weißes Tennishemd, das die Bräune seiner Haut noch unterstrich. Ein auffälliger Siegelring zierte den Ringfinger seiner rechten Hand. Henning fand, dass er nicht so recht zu seinem Träger passte. Doch das war sicher Geschmacksache. Unbestritten hingegen war, dass der Immobilienmakler zu jener Sorte Mann gehörte, deren Anblick Frauenherzen automatisch höher schlagen ließ. Der Kommissar konnte sich gut vorstellen, dass Carmen sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte. Pascal Austen, dem das Interesse seines Gastes an seinem Siegelring nicht entgangen war, fühlte sich wohl genötigt, ein paar erklärende Worte zu sagen. Andächtig über die eingearbeitete Gravur streichend, sagte er: »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie sich fragen, wie jemand wie ich zu einem solchen Ring kommt?«
»Das habe ich mich tatsächlich gefragt«, gab der Kommissar zu.
Mit nicht zu überhörendem Stolz in der Stimme beschied ihm Pascal Austen, dass es sich bei dem Ring um ein Familienerbstück handele. »Ursprünglich ließ mein Großvater ihn für sich anfertigen. Nach seinem Tod ging er an meinen Vater über. Der wiederum schenkte ihn mir an meinem Hochzeitstag.«
»Womit wir beim Thema wären«, kam Henning auf den Grund seines Besuchs zu sprechen. Pascal Austen hörte ihm zu, ohne ihn zu unterbrechen. Als der Kommissar seinen Bericht beendet hatte, zeigte er sich verwundert. »Ich kann Ihnen natürlich gerne noch einmal meine Sicht der Geschehnisse von vor dreizehn Jahren schildern«, sagte er. »Aber offen gestanden verstehe ich nicht, was Sie damit bezwecken. So viel mir bekannt ist, wurde der Fall doch ad acta gelegt.«
»Sind Sie wirklich davon überzeugt, dass der Mord seinerzeit aufgeklärt wurde?«, hielt Henning dagegen. »Schließlich gab es damals schon Stimmen, die da anderer Ansicht waren. Sie wissen von wem ich spreche?«
Pascal schien nachzudenken. »Meinen Sie etwa diesen verschrobenen Rechtsmediziner mit seiner abenteuerlichen Behauptung?« Mit einem Kopfnicken bestätigte ihm der Kommissar die Richtigkeit seiner Annahme.
»Sie glauben doch wohl nicht, dass ich diesen Spinner ernst genommen habe«, entrüstete sich Carmens Ehemann. »Die Polizei vermochte er schließlich auch nicht zu überzeugen.«
»Sie erinnern sich aber schon noch daran, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausging, dass Ihre Frau und dieser David Küster schon tot gewesen sein müssen, als man ihnen die
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