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Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Maigret - 18 - Maigret in Nöten

Titel: Maigret - 18 - Maigret in Nöten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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es, dass einer die Kohle aus Charleroi für zweiundfünfzig Franc übernommen hat?«
    »Ein Belgier, der drei Maschinen hat.«
    »Bedienung! Einen kleinen Weißen. Nehmen Sie auch Weißwein?«
    Maigret nickte und betrachtete pfeiferauchend den Verkehr auf dem Pont-Neuf; er hörte nur mit einem Ohr zu, was neben ihm gesprochen wurde.
    Erst nach einiger Zeit fiel ihm der ungewöhnliche Ton auf, der über den Stimmen lag, und noch länger brauchte er, bis er darin ein Schiffshorn erkannte. Es tutete nicht zwei oder drei Mal, wie die Schiffe es üblicherweise vor Brücken tun, sondern der Ton war so lang anhaltend, dass manche Passanten stehen blieben, genauso verwundert wie der Kommissar. Der Wirt des Cafés hob als Erster den Kopf. Zwei Matrosen folgten ihm unter die Tür, wo auch Maigret sich hinstellte.
    Ein stromabwärts kommender Diesel drosselte vor den Bögen des Pont-Neuf das Tempo und stellte sich stampfend gegen die Strömung und den eigenen Schwung. Die Sirene heulte ununterbrochen, und während die Frau das Ruder übernahm, sprang der Mann ins Beiboot und wriggte es ans Ufer.
    »Es ist François!«, sagte einer der Matrosen.
    Sie gingen alle an den Quai hinunter und standen schon auf dem Steinwall, als das Boot anlegte.
    Die Frau am Ruder hatte alle Mühe, den langen Kahn auf Kurs zu halten.
    »Ist der Chef da?«
    »Er ist im Café.«
    »Man soll ihm ausrichten … ich weiß auch nicht, wie, aber vielleicht ein bisschen sachte, na ja, dass sein Sohn …«
    »Was?«
    »Sie haben ihn eben tot aufgefunden … Eine Riesengeschichte dort oben … Anscheinend hat er sich …«
    Er schnitt ein unheilvolles Gesicht und fuhr sich mit der Hand an die Kehle. Er brauchte nicht zu Ende zu sprechen.
    Nun heulte auch noch die Sirene eines stromaufwärts kommenden Kahns auf, weil das andere Schiff quer zur Fahrtrichtung stand, und der Schiffer beeilte sich, sein Boot wieder vom Ufer abzustoßen.
    Die paar Leute, die auf der Brücke stehen geblieben waren, gingen schon wieder weiter, aber die drei auf dem Quai sahen sich bestürzt und verlegen an. Ihre Verlegenheit nahm noch zu, als sie Ducrau unter der Tür des Cafés ›Henri IV‹ stehen sahen, der von dort aus zu erraten versuchte, was vorging.
    »Geht es mich an?«
    So sehr hatte er die Gewohnheit, dass es um ihn ging! Gehörte er nicht zu den fünf oder sechs Persönlichkeiten, die sich das Reich der Binnengewässer teilten?
    Maigret ließ lieber die andern machen, die zögerten jedoch, stießen sich mit den Ellbogen an, bis endlich einer von ihnen hilflos zu stammeln begann:
    »Chef, Sie sollten sofort hinauffahren, weil dort …«
    Ducrau sah Maigret stirnrunzelnd an.
    »Was ist los?«
    »Bei Ihnen zu Hause …«
    »Was soll bei mir sein?«
    Er wurde gleich ärgerlich. Er schien sie alle irgendeiner Missetat zu verdächtigen.
    »Monsieur Jean …«
    »Sprich schon, du Dummkopf!«
    »Er ist tot.«
    Sie standen vor dem Café, in der prallen Sonne, mitten auf dem Pont-Neuf, und noch standen schimmernd ihre Gläser auf der Theke, dahinter der Wirt mit aufgekrempelten Ärmeln und die bunte Auslage der Zigaretten.
    Ducrau ließ einen so leeren Blick um sich schweifen, dass man hätte glauben können, er habe nicht verstanden. Seine Brust hob sich, aber es kam nur ein gurgelndes Lachen dabei heraus.
    »Das ist nicht wahr«, sagte er, und gleichzeitig schoss ihm das Wasser in die Augen.
    »François hat unterwegs angehalten, um es auszurichten …«
    Er war riesenhaft, dieser kleine Mann, und so breitschultrig, so unverletzlich sah er aus, dass niemand sich traute, ihm sein Beileid auszusprechen. Und doch war der Blick, den er nun auf Maigret lenkte, wie ein Hilfeschrei. Er schniefte und sagte schließlich zu seinen Kollegen von vorher:
    »Ich mache das Geschäft für achtundvierzig!«
    Aber wenn er das auch sagte und so Maigret Zeuge seiner Abgebrühtheit sein ließ, kam auf seinem Gesicht doch so etwas wie ein kläglicher, kindlicher Stolz zum Ausdruck. Er hob den Arm, um ein Taxi anzuhalten. Er forderte den Kommissar nicht einmal auf, mit ihm einzusteigen, so selbstverständlich war die ganze Angelegenheit für ihn. Und genauso selbstverständlich schwieg er nun.
    »Zur Schleuse von Charenton.«
    Sie fuhren wieder die Seine entlang zurück, deren Alltag er eine Stunde zuvor Schiff für Schiff, Verankerungsring um Verankerungsring geschildert hatte. Auch jetzt noch ruhte sein Blick auf dem Fluss, aber er sah ihn nicht, und sie waren schon auf der Höhe des umzäunten

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