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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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trockenes Klicken, dem gleich darauf ein leichtes Geräusch wenige Meter vor ihm auf dem Boden folgte. Er blieb erschrocken stehen, obgleich es wie der Knall von vorhin geklungen hatte, als Malik von dem alten Sonderling berichtete, der abends Ringeltauben jagte.
    Kein Laut. Dennoch war dort jemand, nicht weit von ihm, wahrscheinlich auf der Mauer von Amorelles Grundstück, jemand, der mit einem Karabiner geschossen hatte, und zwar nicht in die Luft, auf eine Ringeltaube oben auf einem Zweig, sondern auf den Erdboden, auf den vorbeigehenden Maigret.
    In einer Mischung aus schlechter Laune und Genugtuung verzog er das Gesicht. Er ballte wütend die Fäuste, und doch fühlte er sich erleichtert. So hatte er es lieber.
    »Schurke!« brummte er leise.
    Es war nicht nötig, seinen Angreifer zu suchen oder hinter ihm herzurennen, wie Malik es vorhin getan hatte. In dieser Dunkelheit würde er nichts finden und höchstens Gefahr laufen, in irgendein Loch zu fallen.
    Die Hände in den Taschen, die Pfeife zwischen die Zähne geklemmt, mit breiten Schultern und absichtlich langsamen Schrittes setzte er seinen Weg fort und zeigte deutlich seine Verachtung, indem er seinen gleichmäßigen Gang nicht für eine Sekunde unterbrach.
    Wenige Minuten später erreichte er den ›Ange‹, ohne daß man ihn erneut aufs Korn genommen hätte.

3
Das Familiengemälde im Salon
    Um halb zehn war er noch immer nicht aufgestanden. Das weit offene Fenster ließ seit langem die Geräusche von draußen hereindringen, das Gackern der Hühner, die auf dem Misthaufen im Hof scharrten, die Kette eines Hundes, das nachdrückliche Tuten der Schleppdampfer und das dumpfere der Motorkähne.
    Maigret hatte einen Kater, einen verdammten Kater sogar. Nun kannte er das Geheimnis der alten Jeanne, der Besitzerin der ›Auberge de l’Ange‹. Als er gestern abend zurückgekommen war, hatte sie noch in der Gaststube neben der Standuhr mit dem Messingperpendikel gesessen. Malik hatte recht gehabt mit seiner Vermutung, daß sie warten würde. Aber offenbar wollte sie nicht so sehr mit ihm reden als mit ihm trinken.
    »Die säuft ganz schön!« sagte er sich jetzt im Halbschlaf, den er nicht allzu brutal abzubrechen wagte, weil er die schweren Kopfschmerzen fürchtete, die er dann verspüren würde.
    Er hätte es gleich merken müssen. Er hatte andere kennengelernt, Frauen an der Schwelle zum Alter, die alle Eitelkeit aufgegeben hatten, die sich wie Jeanne gehenließen, jammerten, stöhnten und mit glänzendem Gesicht und fettigen Haaren über alle Krankheiten der Welt klagten.
    »Ich nehme gerne noch ein Gläschen«, hatte er gesagt und sich neben sie gesetzt, vielmehr: Er hatte sich rittlings auf einen Stuhl geschwungen. »Und Sie, Madame Jeanne? … Was darf ich Ihnen spendieren? …«
    »Nichts, Monsieur. Ich trinke lieber nichts. Es bekommt mir nicht.«
    »Ein winziges Glas Likör?«
    »Nur, um Ihnen Gesellschaft zu leisten … Also, einen Kümmel … Wollen Sie sich bitte selbst bedienen? … Die Flaschen stehen im Regal. Meine Beine sind heute abend noch geschwollen …«
    Sie hat sich mit Kümmel vollgesoffen, das war alles. Und auch er hatte aus Höflichkeit Kümmel getrunken. Noch jetzt war ihm schlecht davon. Er schwor sich, nie wieder in seinem Leben einen Schluck Kümmel zu trinken.
    Wie viele Gläschen hatte sie so nebenbei geleert? Sie redete, zuerst mit ihrer jammernden Stimme, dann mit mehr Schwung. Von Zeit zu Zeit sah sie woanders hin, nahm die Flasche und schenkte sich ein. Bis zu dem Augenblick, da Maigret es merkte und er ihr alle zehn Minuten nachgoß.
    Ein komischer Abend. Das Hausmädchen war längst schlafen gegangen. Die Katze hatte sich auf dem Schoß von Madame Jeanne zusammengerollt, der Perpendikel der Standuhr schwang in seinem verglasten Kasten hin und her, und die Alte erzählte, zuerst von Marius, ihrem verstorbenen Mann, dann von sich selbst, einem Mädchen aus guter Familie, das wegen Marius eine Heirat mit einem Offizier ausgeschlagen hatte, der später General wurde.
    »Er ist hier gewesen, mit seiner Frau und seinen Kindern, vor drei Jahren war das, wenige Tage vor dem Tod meines Marius. Er hat mich nicht wiedererkannt.«
    Von Bernadette Amorelle:
    »Sie sagen, die ist verrückt, aber das ist nicht wahr. Sie hat nur einen komischen Charakter. Ihr Mann war ein grober Kerl. Er war es, der mit Campois die großen Kieswerke an der Seine aufgebaut hat.«
    Sie war keineswegs dumm, die alte Jeanne.
    »Ich weiß jetzt, warum Sie

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