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Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Maigret - 26 - Maigret regt sich auf

Titel: Maigret - 26 - Maigret regt sich auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Essen für einen Augenblick entfernt hatte, bin ich zu ihm hinaufgegangen, um ihm Vorhaltungen zu machen. Ich bin recht hart mit ihm umgegangen, und ich habe immer Angst …«
    Las er in Maigrets Augen, daß der Kommissar eine Parallele zog und an Monita dachte, die sich ertränkt hatte und ebenfalls sensibel gewesen war? Mit Sicherheit, denn er zauderte, ehe er hinzufügte:
    »O nein, nicht das, was du denkst. Dazu liebt er sich selbst zu sehr! Aber manchmal reißt er aus. Einmal ist er acht Tage fortgeblieben, und man hat ihn zufällig auf einer Baustelle angetroffen, wo er sich hatte einstellen lassen.«
    Der ältere Bruder hörte gleichgültig zu. Er stand auf der Seite seines Vaters, das war klar. Für diesen Georges-Henry, von dem hier die Rede war und der seiner Großmutter ähnelte, empfand er nichts als tiefe Verachtung.
    »Da ich wußte, daß er kein Taschengeld hat, bin ich ihm gefolgt, und nun bin ich beruhigt … Er hat einfach die alte Bernadette aufgesucht, und augenblicklich dürfte er sich in ihrem Schoß ausweinen.«
    Es begann dunkler zu werden, und Maigret hatte den Eindruck, daß sein Gesprächspartner nun weniger um sein eigenes Mienenspiel bemüht war. Seine Gesichtszüge wurden härter, sein Blick war jetzt noch schärfer und ohne diese Ironie, die manchmal seine Wildheit etwas milderte.
    »Bestehst du unbedingt darauf, bei Jeanne zu übernachten? Ich könnte dein Gepäck von einem Diener holen lassen.«
    Diese Beharrlichkeit mißfiel dem ehemaligen Kommissar, der darin so etwas wie eine Drohung sah. Vielleicht hatte er unrecht? Womöglich ließ er sich von seiner schlechten Laune leiten?
    »Ich werde im ›Ange‹ übernachten«, sagte er.
    »Nimmst du meine Einladung für morgen an? Du könntest hier ein paar interessante Typen treffen. Wir sind nicht zahlreich. Sechs Villen im ganzen, einschließlich des alten Schlosses, das auf der anderen Seite des Flusses liegt. Doch das genügt, um dir einige Originale vorzuführen.«
    In diesem Moment hörte man einen Schuß von der Seine her. Maigret hatte kaum Zeit zusammenzuzucken, da erklärte sein Schulkamerad bereits:
    »Vater Groux, der Ringeltauben jagt. Ein Sonderling, wie du morgen sehen wirst. Ihm gehört der ganze Hügel, den du da vor dir hast oder den vielmehr die Dunkelheit am anderen Ufer des Flusses zu erkennen verhindert. Er weiß, daß ich zum Kauf bereit bin, aber seit zwanzig Jahren weigert er sich zu verkaufen, obwohl er keinen blanken Heller besitzt.«
    Warum hatte er seine Stimme um einen Ton gesenkt, wie es einem manchmal passiert, wenn einen mitten im Sprechen plötzlich ein ganz anderer Gedanke überfällt?
    »Wirst du deinen Weg allein zurückfinden? Jean-Claude wird dich bis zum Tor begleiten. Du schließt dann ab, Jean-Claude! Du folgst dem Leinpfad, und zweihundert Meter weiter biegst du in die Schneise ein, die direkt zum ›Ange‹ führt … Wenn du Geschichten hören willst, so wirst du gut bedient sein, denn die alte Jeanne, die an Schlaflosigkeit leidet, dürfte schon auf dich lauern und wird dir für dein Geld etwas erzählen, vor allem, wenn du an ihrem Unglück Anteil nimmst und Mitgefühl für ihre Leiden zeigst.«
    Er trank sein Glas aus, erhob sich und gab zu verstehen, daß das Gespräch beendet war.
    »Bis morgen, gegen Mittag. Ich rechne mit dir.«
    Er reichte ihm seine trockene, kräftige Hand.
    »Es ist ulkig, sich nach so langer Zeit wiederzusehen … Gute Nacht, Alter!«
    Ein etwas gönnerhaftes, reserviertes »Gute Nacht, Alter«.
    Während Maigret in Begleitung des älteren Sohnes die Treppen zur Terrasse hinabstieg, verschwand Malik bereits im Haus.
     
    Es stand kein Mond am Himmel, und schwarz breitete sich die Nacht aus. Maigret, der dem Leinpfad folgte, vernahm das träge und eintönige Geräusch von Ruderschlägen. Eine Stimme sagte ziemlich leise:
    »Halt!«
    Das Geräusch erstarb, und ein anderes drang an sein Ohr, das eines Netzes, das man über Bord warf. Vermutlich Wilderer!
    Er setzte seinen Weg fort, rauchte seine Pfeife, grub die Hände in seine Taschen, war mit sich und den anderen unzufrieden und fragte sich, was er eigentlich hier trieb, anstatt zu Hause zu sein.
    Er ging an der Mauer entlang, die den Park der Amorelles einfriedete. Und als er an dem Tor vorbeikam, bemerkte er in einem der Fenster Licht. Zu seiner Linken standen jetzt dichte, dunkle Sträucher, und etwas weiter vorn würde er auf die Schneise stoßen, die direkt zu der alten Jeanne führte.
    Plötzlich hörte er ein

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