Maigret - 29 - Maigret und sein Toter
ich die Fotos sah, gemerkt, was Sie wollen. Den hat man aber ganz schön zugerichtet!«
»Hast du ihn nie gesehen?«
Fred nahm seinen Beruf als Spitzel sehr ernst. Aufmerksam betrachtete er die Fotos und trat sogar zum Fenster, um sie bei Tageslicht zu betrachten.
»Nein. Und doch …«
Maigret füllte Kohle im Ofen nach und wartete.
»Nein, doch nicht! Ich möchte schwören, dass ich ihn nie gesehen habe. Obwohl er mich an etwas erinnert. Es ist so vage … Auf jeden Fall gehört er nicht zu den Verbrecherkreisen. Auch wenn’s ein Neuer wäre, wäre er mir schon einmal begegnet.«
»Woran erinnert er dich?«
»Darüber denke ich ja gerade nach. Wissen Sie nicht, was für einen Beruf er hatte?«
»Nein.«
»Auch nicht, in welchem Viertel er gewohnt hat?«
»Nein.«
»Aus der Provinz kommt er auch nicht, das merkt man.«
»Davon bin ich überzeugt.«
Maigret hatte festgestellt, dass der Mann einen ziemlich ausgeprägten Pariser Akzent hatte, den Akzent der kleinen Leute, wie sie einem in der Metro, in Vorstadtkneipen oder im Stadion begegnen.
Das brachte ihn auf eine Idee. Er würde gleich nachher darauf zurückkommen.
»Kennst du nicht vielleicht eine gewisse Nine?«
»Warten Sie. Es gibt eine in Marseille, sie leitet ein Bordell in der Rue Saint-Ferréol …«
»Die ist es nicht, die kenne ich. Sie ist mindestens fünfzig.«
Fred betrachtete wieder das Foto des Mannes, der etwa dreißig Jahre alt sein musste, und murmelte:
»Das will nichts heißen, wissen Sie!«
»Nimm eins von den Fotos mit. Zeig es überall herum, und sieh zu, was du herausbekommst.«
»Sie können sich auf mich verlassen … Ich hoffe, dass ich Ihnen schon in ein paar Tagen einen Tipp geben kann. Nicht in dieser Angelegenheit, sondern über einen Drogenhändler großen Stils. Bis jetzt kenne ich ihn nur unter dem Namen Monsieur Jean. Ich habe ihn noch nie gesehen. Ich weiß nur, dass er hinter einer ganzen Bande von Wiederverkäufern steht. Ich kaufe regelmäßig das Zeug bei ihnen. Es kostet mich viel Geld. Wenn Sie zufällig etwas übrig hätten …«
Janvier fahndete nebenan noch immer nach dem Stockfischpüree.
»Sie hatten recht, Chef. Alle sagen mir, dass es Stockfischpüree nur freitags gibt. Und auch da nur selten. In der Karwoche manchmal auch am Mittwoch, aber bis Ostern ist es noch lange hin.«
»Torrence soll weitermachen … Ist heute Nachmittag was im Stadion?«
»Einen Augenblick. Ich schaue mal schnell in der Zeitung nach.«
Es sollten Steherrennen stattfinden.
»Nimm ein Foto mit. Zeig es den Kartenverkäufern, den Orangen- und Erdnussverkäufern. Geh in alle umliegenden Kneipen. Dann in die Lokale um die Porte Dauphine.«
»Glauben Sie, dass er ein Sportler war?«
Maigret wusste es nicht. Er spürte etwas, genau wie die anderen, wie der Wirt der ›Caves du Beaujolais‹, wie Fred, der Spitzel, aber es war vage und unklar.
Er konnte sich seinen Toten weder in einem Büro noch als Verkäufer vorstellen. Fred behauptete, dass er nicht dem Verbrechermilieu angehörte.
Dagegen war er gern in kleine, beliebte Lokale gegangen.
Er hatte eine Frau mit Vornamen Nine. Und diese Frau hatte Maigret gekannt.
In welchem Zusammenhang? Hätte sich der Mann damit gebrüstet, wenn der Kommissar sie als »Kundin« gekannt hätte?
»Dubonnet. Geh rüber zur Sittenpolizei, lass dir die Liste der in den letzten Jahren registrierten Mädchen geben. Schreib die Adressen aller Nines heraus, die du darin findest. Und dann suchst du sie auf … Verstanden?«
Dubonnet war ein junger Mann, frisch von der Schule, ein wenig steif, immer wie aus dem Ei gepellt, von ausgesuchter Höflichkeit gegenüber jedem. Vielleicht war es sein Sinn für Ironie, der Maigret bewog, ihn mit dieser Aufgabe zu betrauen.
Einen anderen schickte er in alle kleinen Lokale rings um das Châtelet, die Place des Vosges und die Bastille.
Unterdessen wartete Richter Coméliau, der die Untersuchung von seinem Amtszimmer aus leitete, voll Ungeduld darauf, dass Maigret sich endlich bei ihm meldete.
»Was ist mit dem gelben Citroën?«
»Ériau befasst sich damit.«
All das gehörte zur Routine. Es musste getan werden, selbst wenn es zu nichts führte. Auf allen Straßen Frankreichs hielten Polizei und Gendarmen alle gelben Citroëns an und verhörten die Fahrer.
Man musste auch jemanden in das Geschäft am Boulevard Sébastopol schicken, wo das Sakko des Toten gekauft worden war, und dann in ein Geschäft am Boulevard Saint-Martin, aus dem der
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