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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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gewesen, daß er die Witwe Lambert heiraten wollte?«
    »Ich glaube nicht, daß sie Lust hatte, sich wieder zu verheiraten.«
    Und aus Jojos Lächeln entnahm Maigret, daß es sich bei der Witwe Lambert nicht um irgend jemand handelte.
    »Ist das alles, Jojo?«
    »Ja, aber jetzt muß ich wieder hinunter.«
    Ginette schlief auch nicht. Sie lag im Nebenzimmer, genau hinter der Wand, so daß Maigret ihren Atem zu hören glaubte. Das war ihm peinlich, denn wenn er sich in seinem Halbschlaf auf die andere Seite drehte, stieß er immer wieder mit dem Ellbogen gegen diese Wand, und Ginette zuckte dabei gewiß jedesmal zusammen.
    Es hatte sehr lange gedauert, bis sie sich endlich zu Bett gelegt hatte. Was mochte sie die ganze Zeit getan haben? Hatte sie Schönheitspflege getrieben? Es war bisweilen so totenstill in dem Zimmer nebenan, daß Maigret sich fragte, ob sie nicht vielleicht gerade etwas schriebe. Zumal die Luke zu hoch war, daß sie sich hinauslehnen konnte, um frische Luft zu schöpfen.
    Immer wieder der eigenartige Geruch. Es war ganz einfach der Geruch von Porquerolles. Auch vorhin hatte er ihn mit Mr. Pyke am Ende des Landungssteges eingeatmet. Das von der Sonne am Tage erhitzte Wasser dünstete am Abend seltsame Düfte aus, und andere kamen mit der Brise vom Lande. Waren die Bäume auf dem Platz nicht Eukalyptusbäume? Wahrscheinlich gab es auf der Insel noch andere wohlriechende Pflanzen.
    Wer ging eben wieder über den Flur? Mr. Pyke? Es war jetzt schon das drittemal. Pauls Küche, an die er so gar nicht gewöhnt war, schien ihn etwas aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben. Er hatte viel getrunken, dieser Mr. Pyke. Weil es ihm schmeckte? Oder weil er nicht anders konnte? Jedenfalls liebte er Champagner, und Maigret hatte nicht einmal daran gedacht, ihn zu einem Glas einzuladen. Die beiden Männer schienen sich so gut zu verstehen, daß man meinen konnte, sie würden sich schon eine Ewigkeit kennen. Sie hatten sich in eine Ecke gesetzt, und Jojo hatte ihnen eigenmächtig Champagner gebracht.
    Bellam trank ihn nicht aus Kelchen, sondern aus großen Gläsern wie Bier. Er sah so typisch englisch aus, daß er einer Zeichnung aus dem ›Punch‹ glich, mit seinem silberweißen Haar, seinem rosigen Teint, seinen großen hellen Augen, die immer etwas feucht waren, und der riesigen Zigarre, die er nicht einen Augenblick aus dem Mund nahm.
    Er war ein Kind von siebzig oder zweiundsiebzig Jahren, und seine Augen blickten immer ironisch umher. Seine Stimme war heiser, wahrscheinlich von dem Champagner und den Zigarren. Aber selbst nachdem er mehrere Flaschen getrunken hatte, wahrte er eine geradezu rührende Würde.
    »Ich stelle Ihnen Major Bellam vor«, hatte Pyke in einem passenden Augenblick gesagt. »Wir sind zufällig auf demselben College gewesen.«
    Natürlich nicht in dem gleichen Jahr, nicht einmal in dem gleichen Jahrzehnt. Man spürte, wie sehr sie das beide beglückte. Der Major nannte den Kommissar ›Monsieur Maigrette‹.
    Immer wieder blinzelte er Jojo oder Paul verstohlen zu, und schon wurde neuer Champagner auf den Tisch gestellt. Manchmal winkte er auch Jojo leise heran, die dann ein Glas füllte und es jemand im Raum hintrug.
    Das hätte etwas Hochmütiges oder Herablassendes haben können. Aber der Major machte das so liebenswürdig, so naiv, daß es niemanden kränken konnte. Es wirkte ein wenig so, als ob er gute Noten austeilte. Wenn das Glas bei dem, für den er es bestimmt hatte, angelangt war, erhob er das seine und trank dem anderen von fern stumm zu.
    Alle oder fast alle hatten an dem Abend einmal hereingesehen. Chariot hatte fast den ganzen Abend den Spielautomaten in Bewegung gesetzt. Er konnte sich das leisten, denn alles, was er hineinsteckte, gehörte ihm ja doch. Er warf ein Geldstück in den Spalt, drehte mit gespannter Aufmerksamkeit an dem Knopf, der die kleine verchromte Nadel auf ein billiges Zigarettenetui, eine Pfeife oder eine Wachstuchbrieftasche lenkte.
    Schlief Ginette aus innerer Unruhe nicht? War Maigret ihr gegenüber zu hart gewesen? Ja, in ihrem Zimmer hatte er sie sehr schlecht behandelt. Aber er hatte das nicht aus Ärger getan, wie man hätte vermuten können. Hatte sie geglaubt, daß dies der Grund gewesen war?
    Es war immer lächerlich, den Samariter zu spielen. Er hatte sie an der Place des Ternes aufgelesen und ins Sanatorium geschickt. Nie wäre er auf den Gedanken gekommen, daß er damit eine Seele rettete, ein Mädchen der Straße entriß.
    Ein anderer,

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