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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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der ihm ähnlich sah, hatte sich dann ihrer angenommen: der Arzt des Sanatoriums. Hatte er sich etwas davon erhofft?
    Es war doch nichts anderes aus ihr geworden. Aber das war ihre Sache. Er hatte keinen Grund, sich darüber aufzuregen oder darüber verbittert zu sein.
    Er war hart gewesen, weil das notwendig war, weil Frauen dieser Art, selbst die noch nicht ganz verdorbenen unter ihnen, mit jedem Atemzug lügen, manchmal ohne jeden Grund. Sie hatte ihm noch nicht alles gesagt, dessen war er sicher. Und darum konnte sie auch nicht einschlafen. Irgend etwas quälte sie.
    Einmal erhob sie sich. Er hörte ihre nackten Füße über den Boden tapsen. Wollte sie vielleicht zu ihm kommen? Das war gar nicht so unmöglich, und Maigret hatte sich jedenfalls darauf vorbereitet, indem er eilig seine Hose überstreifte, die er auf den Teppich hatte fallen lassen.
    Sie kam aber nicht. Statt dessen hörte er das Klirren eines Glases. Sie hatte gewiß Durst. Oder vielleicht hatte sie eine Schlaftablette eingenommen.
    Er hatte ein einziges Glas Champagner getrunken, sonst nur Wein getrunken und dann, Gott weiß warum, Anisette.
    Wer hatte den Anisette bestellt?
    Ach ja, der Zahnarzt. Ein ehemaliger Zahnarzt, dessen Name ihm entfallen war. Wieder so ein komischer Typ. Es schien auf der Insel und jedenfalls in der ›Arche‹ nur komische Typen zu geben. Aber vielleicht waren sie gerade die Normalen, und die Leute vom Festland, die sich so ganz anders benahmen, die Verrückten.
    Er schien ein sehr vermögender, gepflegter Mann gewesen zu sein, denn er hatte seine Praxis in einem der elegantesten Viertel von Bordeaux gehabt, und die Leute in Bordeaux sind nicht leicht zufriedenzustellen. Ein Zufall hatte ihn nach Porquerolles verschlagen, wo er nur seine Ferien hatte verbringen wollen; er war dann aber nur noch einmal auf eine Woche fortgefahren, um seine Praxis aufzulösen.
    Er trug keinen Kragen. Einer der Morins, ein Fischer, schnitt ihm jeden Monat die Haare. Man nannte diesen Morin den Friseur. Der ehemalige Zahnarzt hatte sich seit mindestens drei Tagen nicht rasiert und pflegte auch seine Hände nicht. Er pflegte sich überhaupt nicht mehr und tat nichts, außer daß er in seinem Schaukelstuhl in seiner schattigen Veranda las.
    Er hatte ein Inselmädchen geheiratet, das vielleicht einmal hübsch gewesen, aber sehr schnell unförmig dick geworden war, einen Anflug von Schnurrbart auf der Oberlippe und eine kreischende Stimme hatte.
    Er war glücklich. Er behauptete es wenigstens. Mit einer beängstigenden Sicherheit sagte er: »Sie werden es erleben! Wenn Sie eine Weile hier bleiben, werden Sie angefressen sein wie die anderen. Und dann kommen Sie nicht mehr fort.«
    Maigret wußte, daß auf gewissen Inseln im Pazifik sich Weiße bisweilen so gehenlassen, von Stufe zu Stufe sinken, aber er wußte nicht, daß das auch nur drei Meilen von der französischen Küste entfernt möglich war.
    Wenn man mit dem Zahnarzt über irgend jemand sprach, dann beurteilte er ihn nur danach, wie weit er heruntergekommen war. Er gebrauchte dafür allerdings ein anderes Wort. Er sagte: »Er ist ›porquerollisiert‹.«
    Der Arzt? Einen Arzt gab es hier nämlich auch. Maigret war ihm zwar noch nicht begegnet, aber Lechat hatte von ihm erzählt. Nach den Worten des Zahnarztes war er bis auf die Knochen verfault.
    »Ich vermute, Sie sind miteinander befreundet?«
    »Wir sehen uns nie. Wir grüßen uns lediglich von fern.« Der Arzt war freilich schon bei seiner Ankunft anfällig gewesen. Er war sehr krank und hatte sich auf der Insel nur niedergelassen, um sich hier auszukurieren. Er war Junggeselle und lebte allein in einem winzigen Holzhäuschen mit einem Blumengarten ringsherum und besorgte seinen Haushalt selber. Es war sehr schmutzig bei ihm. Aus Gesundheitsgründen ging er abends nicht aus, selbst wenn es sich um einen dringenden Fall handelte, und im Winter, wenn es, was selten vorkam, einmal wirklich kalt war, sah man ihn tage- und manchmal sogar wochenlang nicht.
    »Sie werden es erleben, Sie werden es erleben«, sagte der Zahnarzt immer wieder mit sarkastischem Lächeln. »Übrigens werden Sie sich vom bloßen Herumschauen schon denken können, wie das ist. Und dann stellen Sie sich nur vor, es sei jeden Abend dasselbe.«
    Es war tatsächlich ein sonderbares Schauspiel – nicht ganz die Atmosphäre eines Lokals, aber ebensowenig die eines Salons. Das Boheme-Völkchen ließ eher an eine Gesellschaft in einem Künstleratelier denken. Alle

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