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Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Maigret - 31 - Mein Freund Maigret

Titel: Maigret - 31 - Mein Freund Maigret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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dies oder das aus der Bahn Geworfenen wiederzufinden«, sagte Maigret, während er seinen Rock anzog.
    »Das liegt am Klima«, antwortete der Inspektor, den dieses Problem nicht beunruhigte. »Ich habe mir heute morgen noch einen Revolver angesehen.«
    Er war ein gewissenhafter Beamter. Er hatte nicht eher geruht, bis er alle kannte, die einen Revolver besaßen. Nacheinander hatte er sie aufgesucht und die Waffen genau geprüft, ohne sich dabei allerdings viel Hoffnung zu machen. Er hatte es getan, weil das zur Routine gehörte.
    »Was machen wir heute?«
    Maigret, der sich zur Tür wandte, überhörte die Frage, und sie fanden Mr. Pyke unten an dem mit einem rotkarierten Tuch bedeckten Tisch sitzen.
    »Sie sind sicher Protestant«, sagte Maigret zu ihm, »und werden wohl darum nicht zum Hochamt gehen.«
    »Ich bin zwar Protestant, aber ich war in der Stillen Messe.«
    Hätte es eine Synagoge gegeben, wäre er vielleicht sogar dorthin gegangen, um überhaupt einem Gottesdienst beizuwohnen, weil nun einmal Sonntag war.
    »Ich weiß nicht, ob Sie mich begleiten wollen. Ich muß heute morgen eine Dame besuchen, der Sie lieber aus dem Wege gehen.«
    »Gehen Sie an Bord der Jacht?«
    Maigret nickte, und Mr. Pyke schob seinen Teller zurück, erhob sich, ergriff den Strohhut, den er am Tage vorher im Laden des Bürgermeisters gekauft hatte. Er hatte nämlich bereits einen leichten Sonnenbrand, von dem sein Gesicht fast ebenso rot war wie das des Majors.
    »Kommen Sie mit?«
    »Sie werden vielleicht einen Dolmetscher brauchen.«
    »Soll ich auch mitkommen?« fragte Lechat.
    »Ja, das wäre mir lieb. Kannst du rudern?«
    »Ich bin am Meer geboren.«
    Wieder einmal gingen sie zum Hafen. Dort bat der Inspektor einen Fischer um die Erlaubnis, sein Boot benutzen zu dürfen, und die drei Männer stiegen ein. Sie konnten van Greef und Anna sehen, die auf Deck ihres kleinen Schiffes frühstückten. Das Meer trug, wohl auch zu Ehren des Sonntags, ein seidiges Gewand, und bei jedem Ruderschlag funkelten Perlen in der Sonne. Die ›Cormoran‹ lag jenseits des Wassers an der Spitze von Giens und wartete auf die Leute, die mit dem Autobus ankamen. Man konnte bis auf den Meeresgrund sehen. In den Felsenlöchern saßen die Seeigel und bisweilen schoß eine Wasserratte wie ein Pfeil dahin. Die Glocken läuteten zum Hochamt, und in allen Häusern roch es jetzt gewiß nach frischem Kaffee und dem Parfüm, das sich die Frauen auf ihre Sonntagskleider spritzten.
    Die ›North Star‹ wirkte aus der Nähe viel größer und höher, und da niemand sich an Bord rührte, rief Lechat, den Kopf hebend:
    »Hallo, hier kommt ein Boot!«
    Kurz darauf beugte sich ein Matrose über die Reling. Seine eine Wange war mit Seifenschaum bedeckt, und er hielt ein offenes Rasiermesser in der Hand.
    »Wir möchten gern Ihre Chefin sprechen.«
    »Können Sie nicht in einer oder zwei Stunden wiederkommen?«
    Mr. Pyke war sichtlich verlegen. Maigret zögerte eine Sekunde im Gedanken an die ›Großmutter‹.
    »Wenn es sein muß, warten wir auf Deck«, sagte er zu dem Matrosen. »Los, Lechat.«
    Hintereinander erklommen sie die Leiter. An der Kajüte befanden sich von Messingringen eingefaßte Bullaugen, und Maigret sah, wie einen Augenblick ein Frauengesicht an dem einen erschien, aber dann gleich wieder im Halbdunkel verschwand. Kurz darauf öffnete sich die Luke, und Philippes Kopf tauchte auf. Er war noch nicht gekämmt und hatte noch ganz verschlafene Augen.
    »Was wollen Sie?« fragte er mißvergnügt.
    »Mit Mrs. Wilcox sprechen.«
    »Sie ist noch nicht auf.«
    »Das stimmt nicht. Ich habe sie eben gesehen.«
    Philippe trug einen seidenen Pyjama mit blauen Streifen. Sie mußten zur Kajüte einige Stufen hinuntersteigen, und Maigret, der vor Wut kochte, wartete gar nicht erst ab, bis man ihn aufforderte, einzutreten.
    »Gestatten Sie?«
    Das Schiff war ein seltsames Gemisch von Luxus und Unordnung, von raffinierter Ausstattung und Schmutz. Das Deck war sorgfältig geschrubbt, und alle Messingbeschläge funkelten. Der Maschinenraum war wie aus dem Ei gepellt, und die Kommandobrücke mit ihrem Kompaß und ihren Bordinstrumenten blitzte wie eine holländische Küche.
    In der Kajüte, deren Wände aus Mahagoni waren, standen ein am Boden befestigter Tisch und zwei mit rotem Leder bezogene Bänke. Auf dem Tisch herrschte ein wirres Durcheinander: Gläser, Flaschen, Brotscheiben, eine angebrochene Sardinendose, Spielkarten waren dort zu sehen. Und ein ekelhafter

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