Maigret - 43 - Hier irrt Maigret
Recherchen werden erst hinterher wieder aufgenommen.«
»So ungefähr habe ich ihm das auch bestellt.«
»Und was hat er dazu gesagt?«
»Er ist einverstanden. Er hat nichts zu verbergen.«
»Wäre er bereit hierherzukommen?«
»Unter der Bedingung, daß er nicht von Journalisten und Fotografen bestürmt wird. Und daß er hierherkommen kann, ohne daß die Polizei über ihn herfällt.«
Er sprach langsam, jedes seiner Worte abwägend und ohne Maigret aus den Augen zu lassen.
»Könnte das sehr schnell geschehen?« fragte der Kommissar.
Er sah auf die Uhr. Es war noch nicht zwölf. Zwischen zwölf und zwei Uhr waren die Büros am Quai des Orfèvres ruhig, fast menschenleer. Wenn Maigret ein heikles Verhör vor sich hatte, wählte er nach Möglichkeit diese Tageszeit.
»Er kann in einer halben Stunde hier sein.«
»Dann hören Sie zu. Ich nehme an, er hat etwas Geld bei sich. Er soll ein Taxi nehmen und sich bis vor das Polizeigefängnis am Quai de l’Horloge fahren lassen. Da kommen nur selten Leute vorbei; niemand wird ihn beachten. Einer meiner Inspektoren wird ihn am Eingang erwarten und ihn durch das Gerichtsgebäude zu mir führen.«
Louis stand auf und sah Maigret noch einmal lange an; er war sich der Verantwortung bewußt, die er seinem Freund gegenüber auf sich nahm.
»Ich glaube Ihnen«, seufzte er schließlich. »In einer halben Stunde, spätestens in einer Stunde, ist er bei Ihnen.«
Als Louis fort war, rief Maigret die Brasserie Dauphine an, um sich etwas zum Essen bringen zu lassen.
»Für zwei Personen. Und vier kleine Bier.«
Dann rief er seine Frau an und sagte ihr, daß er zum Mittagessen nicht heimkommen könne.
Und um sein Gewissen zu beruhigen, ging er noch zum Chef. Er hielt es für besser, ihn von dem bevorstehenden Experiment zu unterrichten.
»Sie halten ihn also für unschuldig?«
»Bis auf weiteres ja. Wenn er schuldig wäre, hätte er keinen Grund, mich aufzusuchen. Es sei denn, daß er ein verdammt gerissener Bursche ist.«
»Und der Professor?«
»Das weiß ich nicht. Ich weiß noch gar nichts.«
»Haben Sie mit ihm gesprochen?«
»Nein. Janvier hat ein kurzes Gespräch mit ihm gehabt.«
Der Chef fühlte, daß jede weitere Frage sinnlos war. Wenn Maigret so wortkarg und hartnäckig wirkte wie jetzt, war aus ihm nichts herauszubringen; das wußte jeder am Quai des Orfèvres.
»Das Mädchen war schwanger«, fügte Maigret nur noch hinzu, als bedrückte ihn das irgendwie.
Er ging wieder zu den Inspektoren hinüber. Lucas war noch nicht zum Essen gegangen.
»Das Taxi hat man wohl noch nicht ausfindig gemacht?«
»Vor heute abend ist das kaum möglich. Die Chauffeure, die nachts arbeiten, schlafen jetzt.«
»Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn man gleich nach zwei Taxis suchte.«
»Ich verstehe nicht.«
»Man kann zum Beispiel auch annehmen, daß sich der Professor kurz vor zehn Uhr nach Hause hat fahren lassen und dann noch einmal ins Krankenhaus zurückgekehrt ist.«
»Ich werde der Sache nachgehen.«
Seine Augen suchten jetzt den Inspektor, den er vor das Polizeigefängnis schicken wollte, um sich um Pierrot zu kümmern. Seine Wahl fiel auf den jungen Lapointe.
»Du gehst und pflanzt dich auf dem Gehsteig gegenüber dem Gefängnis auf. Jemand wird aus einem Taxi steigen. Der Saxophonspieler.«
»Stellt er sich?«
»Er kommt, um mit mir zu sprechen. Zeig dich höflich gegen ihn und vermeide alles, was ihn einschüchtern könnte. Führ ihn durch den kleinen Hof und durch die Gänge des Gerichtsgebäudes. Ich habe mein Versprechen gegeben, daß er keinem Journalisten begegnet.«
Auf dem Flur trieben sich zwar immer ein paar Zeitungsleute herum, aber es war leicht, sie für ein paar Minuten zu entfernen.
Als Maigret sein Büro betrat, standen die belegten Brote und das Bier bereits auf einem Tablett bereit.
Er trank ein Bier, wartete aber mit dem Essen und verbrachte eine Viertelstunde damit, von seinem Fenster aus auf die Lastkähne hinunterzusehen, die über die graue Wasserfläche glitten.
Endlich hörte er Schritte von zwei Männern und ging zur Tür. Er gab Lapointe einen Wink, daß er gehen könne.
»Kommen Sie nur herein, Pierrot.«
Pierrot war bleich und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Er war sichtlich erregt. Wie sein Freund sah auch er sich zuerst im Zimmer um, als witterte er einen Hinterhalt.
»Außer uns beiden ist niemand im Zimmer«, beruhigte ihn Maigret. »Sie können Ihren Mantel ablegen. Geben Sie ihn mir.«
Er legte ihn
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