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Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen

Titel: Maigret - 66 - Maigret in Künstlerkreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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sie sich eingebildet hatte, Francis könnte ihr zu einer Karriere als Filmstar verhelfen?
    Sie traf den Produzenten heimlich in ihrem Liebesnest in der Rue François-1 er , jedenfalls hatte Carus das behauptet.
    Ricains Eifersucht wurde mehrfach erwähnt und dass er seine Frau praktisch nie allein ließ. Und doch störte es ihn nicht, sich von ihrem Liebhaber Geld zu borgen.
    Wusste er Bescheid? Verschloss er absichtlich die Augen?
    »Führen Sie ihn herein …«
    Er hatte damit gerechnet. Es war der Vater, Ricains Vater, ein großer, kräftiger Mann, der trotz seiner stahlgrauen Haare, die er im Bürstenschnitt trug, noch jugendlich wirkte.
    »Ich wusste nicht recht, ob ich kommen sollte …«
    »Nehmen Sie Platz, Monsieur Ricain.«
    »Ist er hier?«
    »Nein. Heute Morgen war er noch in meinem Büro, aber inzwischen hat er das Polizeigebäude verlassen.«
    Der Mann hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht, helle Augen, die nachdenklich dreinblickten.
    »Ich wäre gern schon früher gekommen, aber ich hatte Dienst auf der Linie Ventimiglia-Paris …«
    »Wann haben Sie Francis zum letzten Mal gesehen?«
    Überrascht wiederholte er:
    »Francis?«
    »So nennen ihn fast alle seine Freunde.«
    »Wir haben ihn François genannt. Da muss ich einen Moment nachdenken … Er hat mich kurz vor Weihnachten besucht …«
    »Hatten Sie ein gutes Verhältnis zueinander?«
    »Ich habe ihn nur selten zu Gesicht bekommen.«
    »Und seine Frau?«
    »Er hat sie mir kurz vor seiner Hochzeit vorgestellt.«
    »Wie alt war er beim Tod seiner Mutter?«
    »Fünfzehn … Er war ein braver Junge, aber manchmal auch recht schwierig und rechthaberisch … Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte … Ich wollte, dass er zur Bahn geht … Nicht unbedingt als Arbeiter … Er hätte auch in der Verwaltung eine gute Stelle finden können.«
    »Warum hat er Sie kurz vor Weihnachten aufgesucht?«
    »Natürlich, weil er Geld brauchte … Er ist immer nur deswegen gekommen. Er hatte ja keinen richtigen Beruf … Er tat sich furchtbar wichtig mit seiner Schreiberei, behauptete, eines Tages würde er damit berühmt.
    Ich hab getan, was ich konnte … Aber anbinden konnte ich ihn ja schließlich nicht … Oft war ich drei Tage lang von zu Hause weg … Für ihn war es auch nicht immer schön, in eine leere Wohnung heimzukommen und sich sein Essen selber zu kochen … Was ist denn Ihre Meinung, Herr Kommissar?«
    »Ich weiß nicht so recht.«
    Der Mann war sichtlich überrascht. Dass ein hoher Polizeibeamter keine eindeutige Meinung hatte, überstieg seine Vorstellungskraft.
    »Halten Sie ihn denn nicht für schuldig?«
    »Bislang gibt es keinen eindeutigen Beweis dafür, auch keinen eindeutigen dagegen.«
    »Diese Frau hatte doch keinen guten Einfluss auf ihn, finden Sie nicht auch? Sie hat es nicht einmal für nötig gehalten, ein Kleid anzuziehen, als er sie mir vorgestellt hat. Sie kam in Hosen, und ihre Schuhe waren völlig runtergelatscht! Nicht einmal frisiert hatte sie sich … Nun ja, so laufen heutzutage viele auf der Straße herum …«
    Dann trat ein längeres Schweigen ein. Monsieur Ricain beobachtete Maigret aus den Augenwinkeln. Schließlich holte er aus seiner abgegriffenen Brieftasche mehrere Hundertfrancscheine hervor.
    »Es ist wohl besser, ich gehe nicht zu ihm … Wenn er mich sehen will, dann weiß er ja, wo ich wohne … Ich nehme an, dass er auch jetzt kein Geld hat. Er kann es vielleicht gebrauchen, um sich einen guten Anwalt zu nehmen.«
    Wieder trat eine Pause ein. Dann kam die Frage:
    »Haben Sie Kinder, Herr Kommissar?«
    »Leider nein.«
    »Ich möchte nicht, dass er sich im Stich gelassen fühlt … Was er auch Schlimmes angestellt hat, verantwortlich ist er nicht dafür. Sagen Sie ihm, wie ich darüber denke … Sagen Sie ihm, dass er jederzeit nach Hause kommen kann. Zwingen will ich ihn nicht … Ich verstehe ihn.«
    Gerührt sah Maigret auf die Geldscheine, die von einer breiten, schwieligen Hand mit viereckigen Fingernägeln auf den Schreibtisch geschoben wurden.
    »Tja …«, seufzte der Vater, erhob sich und nestelte an seinem Hut herum.
    »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, so darf ich noch hoffen, dass er unschuldig ist … Wissen Sie, ich bin davon überzeugt … Was immer auch in der Zeitung steht, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er so etwas getan hat …«
    Der Kommissar begleitete ihn bis zur Tür, drückte ihm die Hand, die sich ihm zögernd entgegenstreckte.
    »Besteht noch Hoffnung?«
    »Man soll

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