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Maigret bei den Flamen

Maigret bei den Flamen

Titel: Maigret bei den Flamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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fläche des Wassers.
    »Das geht Ihnen nahe, nicht wahr? Entschuldigen Sie meine Frage … Haben Sie immer noch vor, Marguerite zu heiraten?«
    Ein langes Schweigen. Joseph vermied es, Maigret anzublicken, so daß dieser nur sein Profil sah. Er betrachtete erst die transparente Reklame auf der Ladentür, dann die Brücke, schließlich wieder die Maas.
    »Ich weiß nicht …«
    »Immerhin haben Sie sie geliebt …«
    »Warum haben Sie mir diesen Bericht zu lesen gegeben?«
    Und er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sie war schweißnaß, obwohl es draußen recht kalt war.
    »War Germaine eigentlich sehr viel weniger hübsch?«
    »Lassen Sie mich in Ruhe … Ich weiß es nicht. Ich habe mir so oft anhören müssen, daß Marguerite schön ist, daß sie apart ist, intelligent, wohlerzogen …«
    »Und nun?«
    »Ich weiß nicht …«
    Ihm war nicht nach einer Unterhaltung zumute. Nur widerstrebend antwortete er, denn überhaupt nichts zu sagen wagte er auch nicht. Das Papier seiner Zigarette hatte er zerfriemelt, ohne es zu merken.
    »Und sie wäre bereit, Sie zu heiraten, trotz des Kindes?«
    »Sie will es adoptieren.«
    Sein Gesicht blieb unbewegt. Aber man merkte, daß er nicht mehr konnte, vor Entmutigung oder vor Übe r druß. Er beobachtete Maigret verstohlen von der Seite und hoffte, daß er keine weiteren Fragen mehr stellen würde.
    »Bei Ihnen scheinen alle damit zu rechnen, daß die Hochzeit bald stattfinden wird. Ist Marguerite Ihre Geliebte?«
    Er knurrte sehr leise:
    »Nein …«
    »Wollte sie nicht?«
    »Es liegt nicht an ihr. Ich wollte nicht. Es ist mir nicht einmal in den Sinn gekommen. Aber das verstehen Sie doch nicht …«
    Und plötzlich wütend:
    »Ich werde sie heiraten müssen! Es bleibt mir nichts anderes übrig. Basta!«
    Die beiden Männer sahen einander immer noch nicht an. Maigret, der keinen Mantel anhatte, begann zu frösteln. In diesem Augenblick öffnete sich die Ladentür. Man hörte die Glocke, die dem Kommissar schon ve r traut war. Dann die übertrieben sanfte und fürsorgliche Stimme Marguerites:
    »Joseph! Wo bleibst du?«
    Maigret und der junge Peeters sahen sich an. Es war, als wollte Joseph sagen:
    »Na bitte!«
    Währenddessen fuhr Marguerite fort:
    »Du wirst dich erkälten. Wir sitzen schon alle bei Tisch. Was hast du? Du bist so blaß …«
    Maigret warf einen letzten Blick hinüber zu der kleinen Straße, in der – vom Laden aus nicht zu sehen – das Haus der Piedbœuf s stand.
    Anna schnitt die Torten auf.
     
     
    Madame Peeters sprach wenig, als ob ihr ständig bewußt wäre, daß sie nur eine einfache Frau war. Sobald jedoch eines ihrer Kinder sprach, stimmte sie mit einem L ä cheln oder einem Kopfnicken zu.
    »Sie werden meine Neugier entschuldigen, Herr Kommissar … Vielleicht ist das eine dumme Frage von mir …«
    Und sie legte ein großes Stück Reistorte auf Maigrets Teller.
    »Ich habe gehört, man hätte bestimmte Gegenstände an Bord der ›Etoile Polaire‹ gefunden, und der Schiffer sei auf der Flucht. Er ist ein paarmal hier gewesen. Ich mußte ihn hinaus werfen, einmal, weil er immer nur a n schreiben lassen wollte, und zum anderen, weil er von morgens bis abends betrunken ist. Aber das ist nicht, was ich sagen wollte … Wenn er auf der Flucht ist, dann ist er auch schuldig. Und dann ist die Untersuchung doch beendet, nicht wahr?«
    Anna aß ungerührt ihre Torte, ohne Maigret anzusehen. Marguerite säuselte:
    »Ein kleines Stückchen wenigstens, Joseph, ich bitte dich. Mir zuliebe!«
    Maigret wandte sich mit vollem Mund an Madame Peeters:
    » Darauf könnte ich Ihnen antworten, wenn die Untersuchung in meinen Händen läge, aber das ist nicht der Fall. Vergessen Sie nicht, daß ich nur auf Bitten Ihrer Tochter hergekommen bin, um zu versuchen, die Unschuld Ihrer Familie zu beweisen …«
    Van de Weert rutschte unruhig in seinem Sessel hin und her wie jemand, der etwas sagen möchte, den man aber nicht zu Wort kommen läßt.
    »Aber schließlich …«
    »Inspektor Machère ist nach wie vor allein verantwortlich für …«
    »Aber, Herr Kommissar, es gibt doch schließlich eine Hierarchie! Er ist nur Inspektor und Sie sind …«
    »Hier bin ich nichts. Sehen Sie: Sobald ich anfangen wollte, einen von Ihnen zu verhören, hätte er das Recht, nicht zu antworten. An Bord des Lastkahns bin ich gegangen, weil der Schiffer nichts dagegen hatte. Die Mordwaffe habe ich rein zufällig gefunden, ebenso wie den Mantel, den das Opfer getragen hatte

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