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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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einmal eine Wohnung in der Stadt leisten … Haben Sie Couchet gekannt? Ihm machte das nicht einmal etwas aus! Er schämte sich nicht! Ihm war das alles egal! Er blieb dabei, er sei dazu geboren, viel Geld zu verdienen, und irgendwann würde er schon das große Geld machen … Nach der Sache mit den Fahrrädern waren es Uhrketten. Nein, Sie würden es nicht glauben! Uhrketten, die er an einem Marktstand verkaufte, Herr Kommissar! Und meine Schwestern wagten schon nicht mehr, auf den Markt von Neuilly zu gehen, aus Angst, ihm dort in einer solchen Situation begegnen zu können …«
    »Hatten Sie die Scheidung eingereicht?«
    Sie senkte verschämt den Kopf, aber ihr Gesichtsausdruck blieb gereizt.
    »Monsieur Martin wohnte im selben Haus wie wir … Er war damals noch wesentlich jünger. Er hatte eine gute Stellung in der Verwaltung. Couchet ließ mich fast immer allein, um irgendwo sein Glück zu suchen … Oh, es ist alles äußerst korrekt zugegangen! Ich habe meinem Mann die Meinung gesagt. Wir haben die Scheidung übereinstimmend beantragt, wegen unüberwindlicher Abneigung … Couchet mußte mir nur für den Jungen Unterhalt zahlen … Und wir haben ein Jahr gewartet, Martin und ich, ehe wir heirateten …«
    Sie rückte jetzt unruhig auf dem Stuhl hin und her. Ihre Finger zerrten an dem silbernen Bügel des Handtäschchens herum.
    »Sie sehen, ich habe niemals Glück gehabt. Anfangs hat Couchet nicht einmal regelmäßig den Unterhalt gezahlt! Und für eine feinfühlige Frau ist es peinlich, den zweiten Mann für ein Kind aufkommen zu sehen, das nicht von ihm ist …«
    Nein, Maigret schlief nicht, obwohl er die Augen halb geschlossen hatte und die Pfeife, die er sich wieder zwischen die Zähne gesteckt hatte, längst erloschen war.
    Es begann peinlich zu werden. Die Augen der Frau wurden feucht. Ihre Lippen begannen auf eine beunruhigende Art zu zittern.
    »Niemand außer mir kann ermessen, was ich durchgemacht habe … Ich habe Roger studieren lassen. Ich wollte ihm eine gute Ausbildung mitgeben. Er war anders als sein Vater, zärtlich, sensibel … Als er siebzehn war, hat Martin ihm eine Stelle in einer Bank besorgt; er sollte eine Banklehre machen. Aber zu jener Zeit ist er Couchet begegnet; ich weiß nicht, bei welcher Gelegenheit …«
    »Und er hat sich angewöhnt, Geld von seinem Vater zu verlangen?«
    »Sie müssen wissen, daß Couchet mir immer alles verweigert hatte! Für mich war ihm alles zu teuer. Ich schneiderte meine Kleider selbst und trug drei Jahre lang denselben Hut.«
    »Aber Roger hat er alles gegeben, was dieser wollte?«
    »Er hat ihn verdorben! Roger hat uns verlassen, um allein zu leben. Von Zeit zu Zeit kommt er mich noch besuchen. Aber zu seinem Vater ging er auch noch!«
    »Wohnen Sie schon lange an der Place des Vosges?«
    »Ungefähr acht Jahre. Als wir die Wohnung gefunden hatten, wußten wir nicht einmal, daß Couchet hinter dieser Serumfirma steckte … Martin wollte wieder ausziehen, aber das hätte gerade noch gefehlt! Wenn jemand hätte gehen müssen, dann Couchet, nicht wahr? Couchet, der zu Geld gekommen war, wie, weiß ich nicht, und den ich in einem Auto mit Chauffeur ankommen sah. Einen Chauffeur hatte er nämlich auch. Ich habe auch seine Frau gesehen …«
    »Bei ihr zu Hause?«
    »Nein, ich habe vor dem Haus auf sie gewartet, um zu wissen, wie sie aussieht. Ich will lieber nichts sagen. Jedenfalls ist sie nichts Besonderes, so vornehm sie auch tut, und trotz ihres Persianermantels …«
    Maigret fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Das alles kam ihm immer mehr wie ein Alptraum vor. Seit einer Viertelstunde fixierte er dieses Gesicht, und es kam ihm vor, als müßte es ihm nun für immer vor Augen stehen bleiben.
    Ein hageres, bleiches Gesicht mit feinen, bewegten Zügen, das gewiß noch nie etwas anderes ausgedrückt hatte als Schmerz und Resignation.
    Und dies wiederum erinnerte ihn an gewisse Familienporträts, sogar aus seiner eigenen Familie. Er hatte eine Tante gehabt, kräftiger gebaut als Madame Martin, die sich aber auch unaufhörlich beklagte. Wenn sie zu Besuch kam, hatte er damals als kleiner Junge schon gewußt, daß sie ein Taschentuch hervorholen würde, noch bevor sie sich richtig gesetzt hätte.
    »Meine arme Hermance!« begann sie dann. »Was für ein Leben! Ich muß dir erzählen, was Pierre sich wieder geleistet hat …«
    Und sie hatte den gleichen unsteten Gesichtsausdruck, diese zu dünnen Lippen, diese Augen, über die manchmal ein

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