Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
glaube überhaupt nichts. Aber dabei fällt mir ein, daß ich Ihnen einige Fragen stellen wollte. Welche Beziehungen hatten Sie und Ihre Frau zu Roger?«
    »Er kam nicht sehr oft.«
    »Und wenn er kam?«
    »Er blieb nur ein paar Minuten …«
    »Weiß seine Mutter über seinen Lebenswandel Bescheid?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Spielen Sie nicht den Dummen, Monsieur Martin! Weiß Ihre Frau, daß ihr Sohn auf dem Montmartre lebt, ohne etwas zu tun?«
    Und der Beamte blickte verlegen auf den Fußboden.
    »Ich habe oft versucht, ihn zu bewegen, eine Arbeit anzunehmen«, seufzte er.
    Diesmal begann der junge Mann ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch zu klopfen.
    »Sie werden bemerkt haben, daß ich noch im Schlafanzug bin, und daß ich jetzt ganz gerne …«
    »Würden Sie mir bitte sagen, ob Sie gestern abend im Select jemanden aus Ihrer Bekanntschaft getroffen haben?«
    »Ich habe Nine gesehen.«
    »Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    »Entschuldigen Sie mal … ich habe noch nie mit ihr gesprochen!«
    »Wo saß sie?«
    »Am zweiten Tisch rechts von der Bar.«
    »Wo haben Sie Ihren Handschuh wiedergefunden, Monsieur Martin? Wenn ich mich recht erinnere, suchten Sie ihn gestern nacht im Hof, in der Nähe der Müllkästen …«
    Monsieur Martin ließ ein gequältes Lachen hören.
    »Er war in der Wohnung! Stellen Sie sich vor: Ich war mit nur einem Handschuh hinausgegangen und hatte es nicht gemerkt!«
    »Als Sie die Place des Vosges verließen, wohin sind Sie gegangen?«
    »Ich habe einen Spaziergang gemacht, an der Seine entlang. Ich … Ich hatte Kopfschmerzen …«
    »Gehen Sie oft abends ohne Ihre Frau spazieren?«
    »Manchmal schon.«
    Er saß wie auf glühenden Kohlen. Und er wußte immer noch nicht, wo er seine behandschuhten Hände lassen sollte.
    »Gehen Sie jetzt in Ihr Büro?«
    »Nein! Ich habe angerufen und einen Tag Urlaub genommen. Ich kann meine Frau jetzt nicht …«
    »Nun gut, dann gehen Sie zu ihr!«
    Maigret blieb da. Der arme Kerl suchte nach einer Gelegenheit, sich mit Anstand zu verabschieden.
    »Auf Wiedersehen, Roger …« sagte er, indem er heftig schluckte. »Ich glaube, du solltest deine Mutter besuchen …«
    Aber Roger zuckte nur die Schultern und sah Maigret ungeduldig an. Im Treppenhaus hörte man, wie sich die Schritte von Monsieur Martin entfernten.
    Der junge Mann sagte nichts. Seine Hand griff mechanisch nach einem Ätherfläschchen auf dem Nachttisch und schob es von sich fort.
    »Sie haben keine Erklärung abzugeben?« fragte der Kommissar langsam.
    »Nein, keine.«
    »Denn falls Sie irgend etwas zu sagen haben, wäre es besser, Sie würden es mir jetzt erzählen und nicht erst später …«
    »Ich habe Ihnen auch später nichts zu sagen … Doch! Eines will ich Ihnen gleich jetzt sagen: daß Sie nämlich gewaltig auf dem Holzweg sind …«
    »Übrigens, wenn Sie Ihren Vater gestern abend nicht gesehen haben, dann müßten Sie doch jetzt ohne Geld sein?«
    »Sie sagen es!«
    »Wo wollen Sie welches hernehmen?«
    »Machen Sie sich keine Sorgen um mich. Sie erlauben?«
    Und er ließ Wasser in sein Waschbecken laufen, um seine Toilette zu beginnen.
    Der Form halber ging Maigret noch einige Schritte im Zimmer auf und ab und verließ es dann, um ins Nebenzimmer zu gehen, in dem die beiden Frauen auf ihn warteten. Diesmal war Céline die aufgeregtere von beiden. Nine hingegen saß in ihrem Lehnsessel, kaute bedächtig an einem Taschentuch und sah mit großen, verträumten Augen in die Leere des Fensters.
    »Nun?« fragte Rogers Freundin.
    »Nichts! Sie können wieder hinübergehen.«
    »Es ist also sein Vater, der …?«
    Und plötzlich sehr ernst, die Stirn in Falten gelegt:
    »Das heißt also, daß er erben wird?«
    Und sie ging nachdenklich hinaus.
     
    Auf dem Bürgersteig fragte Maigret seine Begleiterin:
    »Wo gehen Sie hin?«
    Eine vage, gleichgültige Geste, dann:
    »Ich gehe zum Moulin-Bleu; vielleicht nehmen sie mich dort wieder …«
    Er betrachtete sie voller Anteilnahme.
    »Hatten Sie Couchet wirklich gern?«
    »Ich habe es gestern schon gesagt: Er war ein feiner Kerl! Und davon gibt es wirklich nicht viele, das schwöre ich Ihnen! Wenn ich mir vorstelle, daß irgendein Schwein ihn …«
    Zwei Tränen erschienen auf ihrem Gesicht, das war alles.
    »Hier ist es«, sagte sie und stieß eine kleine Tür auf, die als Künstlereingang diente.
    Maigret, der durstig war, ging in eine Bar, um ein Halbes zu trinken. Er mußte noch zur Place des Vosges. Als er das Telefon

Weitere Kostenlose Bücher