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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Couchet hatte eine Frage auf den Lippen, zögerte aber, sie zu stellen. Sie überwand sich aber doch und blickte dabei zur Seite.
    »Ich wollte Sie fragen, ob … Das ist etwas delikat, Sie müssen entschuldigen … Ich weiß, daß er Freundinnen hatte, und er gab sich wenig Mühe, das zu verheimlichen. Ich muß wissen, ob von dieser Seite Unannehmlichkeiten zu erwarten sind, ein Skandal …«
    Offenbar stellte sie sich die Mätressen ihres Mannes wie die Kurtisanen im Roman vor, oder schlimmer noch, wie die Vamps im Film!
    »Sie haben nichts zu befürchten«, lächelte Maigret, der an die kleine Nine dachte mit ihrem betrübten Gesicht und ihrer Handvoll Schmuck, den sie noch am Nachmittag ins Leihhaus gebracht hatte.
    »Sie halten es nicht für notwendig …«
    »… eine Abfindung zu zahlen? Nein!«
    Sie war ganz erstaunt. Vielleicht sogar ein bißchen verärgert, denn wenn diese Frauen nichts verlangten, dann mußten sie eine gewisse Zuneigung zu ihrem Mann empfunden haben! Und er zu ihnen …
    »Haben Sie den Termin für die Beisetzung schon festgelegt?«
    »Mein Bruder hat sich darum gekümmert … Sie wird Donnerstag stattfinden, in Saint-Philippe-du-Roule …«
    Im Eßzimmer nebenan hörte man Geschirr klappern. Wahrscheinlich wurde der Tisch für das Abendessen gedeckt.
    »Mir bleibt nur noch, Ihnen zu danken und mich zu verabschieden. Entschuldigen Sie nochmals die Störung …«
    Und als er zu Fuß den Boulevard Haussmann hinabging, überraschte er sich dabei, wie er beim Pfeifestopfen vor sich hin knurrte:
    »Donnerwetter, dieser Couchet!«
    Das war ihm über die Lippen gekommen, als wäre dieser Couchet ein alter Freund gewesen. Und dieser Eindruck war so stark, daß ihn die Erkenntnis verblüffte, daß er ihn niemals anders als tot gesehen hatte.
    Es kam ihm vor, als würde er alle Seiten Couchets genau kennen.
    Vielleicht wegen der drei Frauen?
    Die erste, die Tochter des Konditors, die in der kleinen Wohnung in Nanterre bei dem Gedanken verzweifelte, daß ihr Mann niemals einen vernünftigen Beruf haben würde.
    Dann die junge Dame aus Dinard und die Selbstbestätigung, die Couchet bei der Vorstellung genoß, jetzt der Neffe eines Obersten zu sein … Nine … Die Treffen im Select … Das Hotel Pigalle …
    Und der Sohn, der ihn anpumpte! Und Madame Martin, die es darauf anlegte, ihm in der Toreinfahrt zu begegnen, in der Hoffnung, ihn vielleicht mit Gewissensbissen zu plagen.
    Ein seltsames Ende! Ganz allein, in seinem Büro, das er nur so selten wie möglich aufsuchte! Mit dem Rücken vor der halbgeöffneten Tresortür, die Hände auf dem Schreibtisch …
    Niemand hatte etwas gemerkt. Die Concierge, die über den Hof ging, hatte ihn immer noch am gleichen Platz hinter der Mattglasscheibe sitzen sehen … Aber sie machte sich vor allem Sorgen um Madame de Saint-Marc, die in den Wehen lag!
    Und oben hatte die Verrückte geschrien! Mit anderen Worten: die alte Mathilde in ihren Filzpantoffeln lauerte im Flur hinter irgendeiner Tür …
    Monsieur Martin war in seinem hellgrauen Mantel heruntergekommen, um in der Nähe der Müllkästen seinen Handschuh zu suchen …
    Eines war sicher: Irgend jemand besaß jetzt die gestohlenen dreihundertsechzigtausend Francs!
    Und irgend jemand hatte einen Mord begangen!
    »Alle Männer sind Egoisten!« hatte Madame Martin mit verbittertem Gesichtsausdruck gesagt.
    Hatte sie jetzt die dreihundertsechzigtausend Francs, fast alles druckfrische Scheine, noch mit den Banderolen des Crédit Lyonnais? War sie es, die jetzt endlich Geld besaß, sehr viel Geld, ein ganzes Bündel großer Scheine, die bequeme Jahre bedeuteten, ohne Sorge um den nächsten Tag oder um die Pension, die sie nach Martins Tod bekommen würde?
    Oder waren es Roger mit seinem verweichlichten, vom Äther entkräfteten Körper, und diese Céline, die er aufgegabelt hatte, um sich mit ihr zusammen in einem verschwitzten Hotelbett zu betäuben?
    War es Nine, oder Madame Couchet?
    Es gab jedenfalls einen Ort, von dem aus man alles hatte sehen können: die Wohnung der Martins.
    Und es gab eine Frau, die auf ihren Filzschlappen über die Flure des Hauses schlich und an allen Türen horchte.
    »Ich werde die alte Mathilde besuchen müssen«, sagte sich Maigret.
    Als er am nächsten Morgen zur Place des Vosges kam, hielt die Concierge, die gerade die Post verteilte (ein großer Stapel für die Serumfirma und einige wenige Briefe für die anderen Mieter) den Kommissar an.
    »Gehen Sie zu den Martins hinauf? …

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