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Maigret und das Schattenspiel

Maigret und das Schattenspiel

Titel: Maigret und das Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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auf den Möbeln bis zu den Kalendern, die an den Wänden hingen.
    »Seien Sie leise! Dann werden Sie die Alte überraschen …«
    Das stimmte nicht ganz. Sie war nicht im Hausflur, sondern lauerte hinter ihrer halbgeöffneten Tür, wie eine Riesenspinne in ihrem Netz. Es mußte sie verwirren, daß der Kommissar sie im Vorbeigehen freundlich grüßte.
     
    Zur Aperitifzeit saß Maigret im Select, nur wenige Tische von dem Bartresen, an dem nur von Pferderennen gesprochen wurde. Als der Ober kam, legte Maigret ihm das Foto von Roger Couchet vor, das er am Morgen in der Rue Pigalle eingesteckt hatte.
    »Kennen Sie diesen jungen Mann?«
    Der Ober war verblüfft.
    »Komisch …«
    »Was ist komisch?«
    »Er ist erst vor einer knappen Viertelstunde gegangen. Und er hat hier an diesem Tisch gesessen! Er wäre mir gar nicht aufgefallen, wenn er ganz normal bestellt hätte, anstatt zu sagen:
    ›Dasselbe wie gestern!‹
    Ich konnte mich nämlich absolut nicht erinnern, ihn schon einmal gesehen zu haben. Ich antwortete ihm:
    ›Würden Sie mir bitte noch einmal sagen, was es war?‹
    ›Na hören Sie, ein Gin-Fizz natürlich!‹
    Und das war es, was mich am meisten amüsierte. Denn ich bin ganz sicher, daß ich gestern abend nicht einen einzigen Gin-Fizz serviert hatte! Er blieb nur kurz. Merkwürdig, daß Sie ein paar Minuten später kommen und mir sein Foto zeigen.«
    Das war überhaupt nicht merkwürdig. Roger hatte versucht, den Beweis dafür zu liefern, daß er gestern abend im Select gewesen war, wie er Maigret gegenüber angegeben hatte. Er hatte einen recht geschickten Trick angewandt und dabei nur den Fehler begangen, ein selten verlangtes Getränk auszuwählen.
    Einige Minuten später kam Nine herein, mit betrübtem Blick, und setzte sich an den Tisch unmittelbar neben der Bar. Als sie den Kommissar erblickte, erhob sie sich, zögerte und ging dann auf ihn zu.
    »Wollten Sie mich sprechen?« fragte sie.
    »Nicht direkt … Doch! Ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Sie kommen doch fast jeden Abend hierher, nicht wahr?«
    »Hier habe ich mich immer mit Raymond getroffen!«
    »Haben Sie einen Stammplatz?«
    »Dort drüben, wo ich mich zuerst hingesetzt hatte …«
    »Waren Sie gestern abend hier?«
    »Ja, warum?«
    »Erinnern Sie sich, den jungen Mann auf diesem Bild gesehen zu haben?«
    Sie betrachtete das Foto von Roger und murmelte:
    »Aber das ist doch mein Zimmernachbar!«
    »Ja! Das ist der Sohn von Couchet …«
    Sie machte große Augen, verwirrt von dieser Konfrontation, und fragte sich, was das zu bedeuten hatte.
    »Er war heute morgen bei mir, kurz nachdem Sie gegangen waren. Ich war gerade vom Moulin-Bleu zurückgekommen …«
    »Was wollte er?«
    »Er fragte mich, ob ich ein Aspirin für Céline hätte; sie fühlte sich nicht wohl …«
    »Und im Cabaret? Hat man Sie engagiert?«
    »Ich muß heute abend hin. Eine der Tänzerinnen hat sich verletzt. Wenn es ihr nicht besser geht, soll ich für sie einspringen, und vielleicht bekomme ich ein festes Engagement.«
    Sie dämpfte die Stimme und fuhr fort:
    »Ich habe die hundert Francs dabei. Geben Sie mir Ihre Hand …«
    Und diese Geste war mehr als aufschlußreich. Sie wollte Maigret die hundert Francs nicht vor aller Augen geben. Sie fürchtete, das könnte ihm peinlich sein! Also hielt sie den ganz klein zusammengefalteten Schein in ihrer Hand und steckte ihn Maigret wie einem Gigolo zu!
    »Nochmals vielen Dank! Es war sehr freundlich von Ihnen …«
    Man merkte, daß sie mutlos war. Sie blickte umher, ohne sich im mindesten für die Leute zu interessieren, die kamen und gingen. Mit einem bitteren Lächeln bemerkte sie:
    »Der Oberkellner beobachtet uns … Er fragt sich, warum ich mit Ihnen zusammen bin. Er muß glauben, ich hätte Raymond schon ersetzt. Sie werden sich kompromittieren!«
    »Trinken Sie etwas?«
    »Nein, danke«, sagte sie diskret. »Wenn Sie mich brauchen sollten – im Moulin-Bleu heiße ich Elyane. Sie kennen doch den Künstlereingang, Rue Fontaine?«
     
    Es hätte unangenehmer sein können. Maigret läutete an der Wohnungstür am Boulevard Haussmann, einige Minuten vor der Zeit für das Abendessen. Schon im Eingang schlug ihm ein schwerer Chrysanthemengeruch entgegen. Die Hausangestellte, die ihm geöffnet hatte, ging auf Zehenspitzen.
    Sie glaubte, der Kommissar wolle nur seine Karte abgeben, und führte ihn wortlos in das schwarz ausgekleidete Zimmer, in dem der Tote aufgebahrt war. Gleich hinter der Tür stand ein Louis- xvi

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