Maigret und das Verbrechen in Holland
Kapitäns.
Ein Sortiment malaysischer Waffen. Japanische Emailarbeiten. In den Regalen ein paar Präzisionswer k zeuge, ein auseinandergenommener Kompaß, den P o pinga wohl reparieren wollte.
Ein mit blauem Rips bezogenes Sofa.
»Das Schlafzimmer Ihrer Schwester?«
»Nebenan.«
Das Arbeitszimmer war mit dem Zimmer des Profe s sors und dem Schlafzimmer der Popingas verbunden, das exquisit eingerichtet war. Eine Alabasterlampe am Kopfende des Bettes. Ein ziemlich schöner Perserte p pich. Möbel aus exotischem Holz.
»Sie waren im Arbeitszimmer …«, sagte Maigret wie abwesend.
Ein Nicken.
»Also konnten Sie es nur durch das Zimmer des Pr o fessors oder durch das Ihrer Schwester verlassen?«
Wieder Nicken.
»Nun, der Professor war im Zimmer. Ihre Schwester ebenfalls …«
Aufs äußerste bestürzt, riß sie die Augen auf und öf f nete den Mund.
»Sie glauben …?«
Er ging in den drei Zimmern hin und her und brummte:
»Ich glaube nichts! Ich suche! Ich sortiere! Und bis jetzt sind Sie die einzige, die logisch gesehen nicht in Frage kommt, es sei denn, man hält Duclos oder M a dame Popinga für Ihre Komplizen.«
»Sie … Sie …«
Aber er redete weiter vor sich hin:
»Duclos hat entweder aus seinem Zimmer oder aus dem Bad schießen können, das ist klar! Madame Popi n ga hätte auch ins Bad gehen können. Aber der Professor, der nach dem Schuß gleich dorthin eilte, hat sie dort nicht gesehen. Im Gegenteil! Er hat gesehen, wie sie ein paar Sekunden später aus ihrem Zimmer kam.«
Verlor sie nicht etwas von ihrer Schüchternheit? Bei der Aufzählung der Möglichkeiten siegte die Studentin über das junge Mädchen. »Man hat auch von unten schießen können«, sagte sie, mit scharfem Blick und g e strafftem Körper. »Der Arzt sagte …«
»Doch der Revolver, mit dem Ihr Schwager erscho s sen wurde, ist der, den Duclos in der Hand hatte. Der Mörder hätte ihn also durch das Fenster in den ersten Stock werfen müssen …«
»Warum nicht?«
»Eben! Warum nicht!«
Und ohne auf sie zu warten, ging er die Treppe hinunter, die für ihn viel zu eng schien und deren Stufen unter seinem Gewicht knarrten.
Madame Popinga stand im Wohnzimmer immer noch an der Stelle, wo sie vorher gestanden hatte. Any folgte ihm.
»Kam Cornelius oft her?«
»Beinahe jeden Tag. Er hatte nur dreimal in der W o che Stunden, am Dienstag, Donnerstag und Samstag. Aber er kam auch an den anderen Tagen. Seine Eltern wohnen in Indien. Vor einem Monat erfuhr er, daß se i ne Mutter gestorben ist und schon beerdigt war, als er den Brief erhielt. Also …«
»Und Beetje Liewens?«
Eine gewisse Verlegenheit kam auf. Madame Popinga schaute Any an. Any schlug die Augen nieder.
»Sie kam …«
»Oft?«
»Ja …«
»Haben Sie sie eingeladen?«
Seine Fragen wurden schärfer, präziser. Maigret spü r te, daß er vielleicht nicht der Wahrheit näher kam, doch wenigstens das Leben im Haus kennenlernte.
»Nein … ja …«
»Ich glaube, sie ist ganz anders als Sie und Mademo i selle Any?«
»Sie ist sehr jung, nicht wahr? Ihr Vater war ein Freund von Conrad. Sie brachte uns Äpfel, Himbeeren oder Sahne …«
»War sie nicht in Cor verliebt?«
»Nein!«
»Sie mochten sie nicht sehr?«
»Warum nicht? Sie kam … Sie lachte … Sie redete die ganze Zeit … Wie ein Vogel, verstehen Sie?«
»Kennen Sie Oosting?«
»Ja.«
»Hatte er mit Ihrem Mann zu tun?«
»Im letzten Jahr hat er einen neuen Motor in sein Boot einbauen lassen. Da hat er Conrad um Rat gefragt. Conrad hat ihm die Pläne gezeichnet. Sie sind zusa m men auf zeehond -Jagd gegangen. Wie sagen Sie? Der Hund, ja, der Seehund, auf den Sandbänken …«
Und plötzlich:
»Sie glauben, daß …? Die Mütze vielleicht? … Das ist unmöglich … Oosting!«
Und sie stöhnte, verlor wieder die Fassung:
»Oosting auch nicht! … Nein! Niemand! … Ni e mand kann Conrad getötet haben! … Sie haben ihn nicht gekannt … Er … er …«
Sie wandte den Kopf ab, weil sie weinte. Maigret zog es vor zu gehen. Keine gab ihm die Hand, und er b e gnügte sich mit einer leichten Verbeugung, bei der er sich brummend entschuldigte.
Draußen war er überrascht über die frische, feuchte Luft, die vom Kanal herkam. Am anderen Ufer, nicht weit entfernt von der Schiffsreparaturwerft, sah er den Baes im Gespräch mit einem Kadetten der Marineschule in Un i form.
Beide standen in der Abenddämmerung. Oosting schien energisch auf den jungen Mann einzureden. Di e ser senkte den Kopf,
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