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Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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zu sich. Er schaute sich um, angespannt und wach.
    Niemand sagte etwas.
    »Haben Sie gehört?« sagte Beetje leise.
    Der junge Mann wollte mit dem Mut eines jungen Hahns auf die Stelle zugehen, von der das Geräusch kam. Er atmete schwer.
    Es war zu spät. Der Feind war viel näher, als sie ang e nommen hatten.
    In zehn Metern Entfernung richtete sich eine Gestalt auf, die sie sofort erkannten: der Bauer Liewens, mit Pantoffeln an den Füßen.
    »Beetje!« rief er.
    Sie wagte nicht gleich zu antworten. Aber als er den Namen wiederholte, hauchte sie ängstlich:
    »Ja!«
    Liewens kam immer näher. Er ging zuerst an Corn e lius vorbei, tat aber so, als ob er ihn nicht sehe. Vie l leicht hatte er Maigret noch nicht bemerkt?
    Doch stellte er sich vor ihm auf, schaute ihn fest an, und seine Nasenflügel bebten vor Zorn. Er nahm sich zusammen. Er blieb regungslos stehen. Als er redete, wandte er sich in eindringlichem, gedämpftem Tonfall an seine Tochter.
    Zwei oder drei Sätze. Sie hielt den Kopf gesenkt. Dann wiederholte er mehrmals in gebieterischem Ton das gleiche Wort, und Beetje sagte auf französisch:
    »Ich soll Ihnen sagen …«
    Ihr Vater beobachtete sie, als ob er sicher gehen wol l te, daß sie seine Worte genau übersetzte.
    »… daß sich holländische Polizeibeamte nicht nachts draußen auf dem Feld mit jungen Mädchen verabreden …«
    Maigret bekam einen roten Kopf, wie es ihm noch kaum je passiert war. Sein Blut hämmerte ihm heiß in den Ohren.
    Die Anschuldigung war dermaßen albern! Sie zeugte von einer solchen Böswilligkeit!
    Denn schließlich war Cornelius da, stand mit unr u higem Blick und hochgezogenen Schultern geduckt im Dunkeln!
    Und der Vater mußte doch wissen, daß Beetje seine t wegen hinausgelaufen war! Also? Was sollte er darauf antworten? Vor allem, wo er auf eine Dolmetscherin a n gewiesen war!
    Übrigens erwartete der Bauer nicht einmal eine An t wort! Er schnalzte mit den Fingern, als ob er einen Hund rufen würde, und wies seiner Tochter den Weg. Diese zögerte noch, wandte sich zu Maigret, traute sich nicht, ihren Liebhaber anzusehen, und ging schließlich vor ihrem Vater her.
    Cornelius hatte sich nicht gerührt. Er hob zwar die Hand, vielleicht um den Bauern im Vorbeigehen anz u halten, aber er ließ sie wieder sinken. Vater und Tochter entfernten sich. Etwas später fiel die Tür des Bauernhofs ins Schloß.
    Waren die Frösche während dieses Auftritts ve r stummt? Maigret wußte es nicht, doch jetzt wurde ihr Konzert ohrenbetäubend laut.
    »Sprechen Sie Französisch?«
    Cornelius antwortete nicht.
    »Sprechen Sie Französisch?«
    »Etwas …«
    Er schaute Maigret haßerfüllt an, machte nur wide r strebend den Mund auf und hielt sich etwas seitwärts, wie um weniger Angriffsfläche zu bieten.
    »Warum haben Sie solche Angst?«
    Tränen kamen ihm in die Augen, aber nicht ein einz i ger Schluchzer war zu hören. Cornelius putzte sich u m ständlich die Nase. Seine Hände zitterten. Bekam er gleich noch einen Weinkrampf?
    »Haben Sie wirklich Angst, man könnte Sie des Mo r des an Ihrem Professor anklagen?«
    Und Maigret fügte schroff hinzu:
    »Gehen wir!«
    Er schob ihn in Richtung Stadt. Er redete langsam, weil er merkte, daß sein Gegenüber die Hälfte von dem, was er sagte, nicht verstand.
    »Haben Sie um sich selber Angst?«
    Ein Kind! Ein schmales Gesicht mit noch weichen Zügen und blaßem Teint. Schmale Schultern in einer enganliegenden Uniform. Die Kadettenmütze war viel zu groß für ihn, wie bei einem Jungen, der sich als M a trose verkleidet hatte.
    Und dieses Mißtrauen in seinem Benehmen und se i nem Gesichtsausdruck! Wenn Maigret lauter gesprochen hätte, hätte er sicher die Hände erhoben, um die Schläge abzuwehren!
    Die schwarze Armbinde jedoch wirkte ernst, jamme r voll. Hatte der Junge nicht einen Monat vorher erfa h ren, daß seine Mutter in Indien gestorben war, vielleicht an einem Abend, als er in Delfzijl fröhlich war, vielleicht am Abend des jährlichen Schulballs?
    Mit dem Dienstgrad eines Dritten Offiziers würde er in zwei Jahren nach Hause zurückkehren, und sein Vater würde ihn zu dem schon alten Grab führen, ihm vie l leicht sogar eine andere Frau vorstellen, die er geheiratet hatte. Und dann würde auf einem großen Dampfer das Leben beginnen: die Wachstunden, die Zwischenhalte, Java-Rotterdam, Rotterdam-Java, zwei Tage hier, fünf oder sechs Stunden dort …
    »Wo waren Sie in dem Augenblick, als Ihr Lehrer g e tötet wurde?«
    Wieder ein

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