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Maigret und das Verbrechen in Holland

Maigret und das Verbrechen in Holland

Titel: Maigret und das Verbrechen in Holland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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beschleunigte. Besser gesagt: Allmählich ergriff ihn eine Art Schwindel.
    Zu Anfang waren die Schritte lang, regelmäßig. Sie wurden kürzer. Sie wurden schneller.
    Genau in dem Augenblick, als Cornelius an der Hol z fabrik vorbeikam, setzte ein wahres Froschkonzert ein, und er hielt abrupt an.
    Hatte Cornelius Angst? Er ging wieder weiter, aber nicht mehr so gleichmäßig, manchmal zögernd, dann wieder zwei, drei Schritte so schnell, daß man meinen konnte, er beginne zu rennen.
    Nun war es vorbei mit der Ruhe, denn das Frosc h konzert hörte nicht mehr auf. Es klang laut durch das Dunkel.
    Und der Schritt wurde schneller. Verblüffend, wie Maigret im Gleichschritt mit seinem Begleiter dessen Gemütsverfassung erriet!
    Cornelius hatte Angst! Er lief schnell, weil er Angst hatte! Er hatte es eilig, ans Ziel zu kommen. Als er aber an einem dunklen Schatten mit seltsamen Umrissen vorbeiging, einem toten Baum oder einem Busch, hielt er für den Bruchteil einer Sekunde ein.
    Der Kanal machte eine Biegung. Hundert Meter we i ter, in Richtung des Bauernhofs, lag die kurze, vom Leuchtturm angestrahlte Strecke.
    Und bei diesem Licht schien der junge Mann zu z ö gern. Er schaute nach hinten. Dann durchlief er den Lichtstreifen und drehte sich dabei noch einmal um.
    Als dieses Stück Weg hinter ihm lag, schaute er i m mer wieder zurück, während Maigret ganz ruhig in se i ner ganzen Breite und seinem ganzen Ausmaß in den Lichtschein trat.
    Der andere mußte ihn sehen. Cornelius blieb stehen. Gerade so lange, um Atem zu holen. Er ging weiter.
    Das Licht lag hinter ihnen. Vor ihnen ein erleuchtetes Fenster im Bauernhof. Folgte ihnen das Froschkonzert? Sie gingen weiter, und es war immer gleich nah zu h ö ren, schloß sie ein, als ob Hunderte von Tieren sie b e gleiteten.
    Plötzlich blieb er endgültig stehen, etwa hundert M e ter vom Haus entfernt. Eine Gestalt hob sich von einem Baumstamm ab. Jemand flüsterte.
    Maigret wollte nicht umkehren. Es wäre albern gew e sen. Er wollte sich nicht verstecken. Dafür war es auße r dem zu spät, denn er war ja schon durch den Lichtstrahl des Leuchtturms gegangen.
    Man wußte, daß er da war. Er ging langsam weiter, etwas verwirrt, weil kein anderer Schritt mehr das Echo abgab.
    Das Dunkel war undurchdringlich, denn zu beiden Seiten der Straße standen dichtbelaubte Bäume. Aber ein weißer Handschuh lag auf etwas …
    Eine Umarmung … Cornelius’ Hand um die Taille eines jungen Mädchens, Beetje …
    Noch höchstens fünfzig Meter. Maigret hielt an, zog Streichhölzer aus der Tasche, zündete eins an, um seine Pfeife anzubrennen und so seine genaue Position a n zugeben.
    Dann ging er weiter. Die Verliebten bewegten sich. Als er nur noch zehn Meter weg war, löste sich Beetje von Cornelius, stellte sich mitten auf den Weg und drehte sich zu ihm, als ob sie auf ihn wartete. Und Co r nelius blieb an einen Baumstamm gelehnt stehen.
    Acht Meter …
    Das Fenster des Bauernhofs hinter ihnen war immer noch erleuchtet. Ein klares, rötliches Viereck.
    Plötzlich ein leiser, heiserer, unbeschreiblicher Schrei, ein Schrei der Angst, der Erregung, einer von diesen Schreien, denen Schluchzen und Tränen folgen.
    Es war Cornelius, der weinte, den Kopf in den Hä n den hielt und sich schutzsuchend an den Baum preßte.
    Beetje stand vor Maigret. Sie trug einen Mantel, aber der Kommissar bemerkte, daß sie darunter nur ein Nachthemd anhatte und ihre nackten Füße nur in Pa n toffeln steckten.
    »Achten Sie nicht auf ihn.«
    Sie war die Ruhe selbst! Sie warf Cornelius sogar e i nen vorwurfsvollen, ungeduldigen Blick zu.
    Er drehte ihnen den Rücken zu. Er versuchte sich zu beruhigen. Es gelang ihm nicht, und er schämte sich, daß er so aufgeregt war.
    »Er ist nervös. Er glaubt …«
    »Was glaubt er?«
    »Daß man ihn anklagen wird.«
    Der junge Mann hielt sich weiterhin abseits. Er wischte sich die Augen. Würde er nicht fliehen, so schnell er nur konnte?
    »Bisher habe ich noch niemand angeklagt!« sagte Maigret, um irgend etwas zu sagen.
    »Nicht wahr?«
    Und sie sagte etwas auf holländisch zu ihrem Begle i ter. Maigret glaubte zu verstehen oder eher zu erraten:
    »Siehst du! Der Kommissar klagt dich nicht an! Ber u hige dich, es ist kindisch!«
    Aber sie verstummte plötzlich. Sie rührte sich nicht, spitzte die Ohren. Maigret hatte nichts gehört. Ein paar Sekunden später glaubte auch er aus der Richtung des Bauernhofs ein Knacken zu hören.
    Bei diesem Geräusch kam Cornelius wieder

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