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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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halblaut miteinander. Der Gastwirt schien darauf zu warten, auch etwas sagen zu können.
    Als er den Käse brachte, hielt er den geeigneten Augenblick für gekommen und sagte:
    »Wissen Sie, was dem Bürgermeister zugestoßen ist?«
    Maigret fuhr so erschrocken auf, daß es dem Wirt fast die Sprache verschlug.
    »Nichts Ernstes … Er … als er vorhin in seinem Haus die Treppe hinunterging, ist er gestürzt. Man weiß nicht, wie es passiert ist. Er hat sich das Gesicht so zugerichtet, daß er das Bett hüten muß.«
    Da hatte Maigret eine Eingebung. Eingebung ist das treffende Wort, denn binnen einer Sekunde hatte sein scharfer Verstand das Ereignis rekonstruiert.
    »Ist Madame Grandmaison noch in Ouistreham?«
    »Nein. Sie ist heute morgen sehr früh mit ihrer Tochter abgereist. Nach Caen, nehme ich an. Sie hat den Wagen genommen.«
    Maigret hatte seine Grippe schon vergessen. Er brummte:
    »Wirst du auch mal fertig mit essen?«
    Und Lucas entgegnete sanftmütig:
    »Klar! Es scheint entsetzlich zu sein, jemanden mit gutem Appetit essen zu sehen, wenn man selbst den Magen voll hat! Geben Sie mir noch drei Minuten … Nehmen Sie den Camenbert noch nicht weg, Herr Wirt!«
    6
    Der Sturz auf der Treppe
    D
    er Gastwirt hatte nicht gelogen, aber die Nachricht war, so wie er sie überbracht hatte, zumindest übertrieben: Monsieur Grandmaison lag nicht im Bett.
    Maigret hatte Lucas fortgeschickt, um den Schiffsbagger zu überwachen, und sich dann zu der Villa begeben. Dort entdeckte er nun hinter einem großen Fenster eine Gestalt in der klassischen Pose des Kranken, der das Zimmer hüten muß.
    Die genauen Umrisse konnte man nicht sehen, aber es handelte sich zweifellos um den Bürgermeister. Weiter hinten in dem Raum stand noch jemand, ein Mann, mehr war nicht zu erkennen.
    Als Maigret klingelte, hörte er drinnen mehr Hin und Her als nötig ist, um eine Haustür zu öffnen. Endlich zeigte sich das Dienstmädchen, eine nicht mehr ganz junge, mürrische Person. Sie mußte eine tiefe Verachtung für alle Besucher empfinden, denn sie machte sich nicht die Mühe, den Mund aufzumachen.
    Sie ließ die Tür auf, ging die wenigen Stufen zur Eingangshalle hinauf, überließ es Maigret, die Haustür hinter sich zu schließen. Dann klopfte sie an eine Flügeltür und trat zur Seite, während der Kommissar in das Büro des Bürgermeisters trat.
    Es war alles irgendwie merkwürdig. Man konnte es nicht genau bestimmen, es waren viele kleine Dinge, die einen schockierten. Die ganze Atmosphäre war unnatürlich.
    Es war ein großes, fast noch neues Haus, in einem Stil gebaut, wie man ihn häufig an der Küste findet.
    Doch wenn man das Vermögen der Grandmaisons, die die Aktienmehrheit der Anglo-Normande besaßen, in Betracht zog, würde man mit mehr Reichtum gerechnet haben.
    Vielleicht investierten sie mehr in ihr Haus in Caen?
    Maigret war drei Schritte gegangen, als er eine Stimme vernahm.
    »Sie hier, Kommissar?«
    Die Stimme kam vom Fenster. Monsieur Grandmaison saß tief in einem Klubsessel, die Beine auf einem Hocker.
    Im Gegenlicht sah man ihn nur undeutlich, aber man konnte erkennen, daß er ein Halstuch umgebunden hatte und er sich mit einer Hand die linke Gesichtshälfte hielt.
    »Setzen Sie sich!«
    Maigret durchquerte den Raum, um dem Reeder gegenüber Platz zu nehmen. Nur mühsam konnte er ein Lächeln unterdrücken, denn mit solch einem Theater hatte er nicht gerechnet: Monsieur Grandmaisons linke Wange, die die Hand nicht völlig verdecken konnte, und seine Lippen waren stark geschwollen. Was der Bürgermeister aber vor allem anderen verstecken wollte, war das eine Auge, das von einem breiten schwarzen Rand umgeben war.
    Das ganze wäre halb so komisch gewesen, wenn der Reeder nicht versucht hätte, trotz allem seine Würde zu bewahren. Er zuckte nicht mit der Wimper, sah Maigret mit aggressivem Mißtrauen an.
    »Kommen Sie, um mir die Ergebnisse Ihrer Untersuchung mitzuteilen?«
    »Nein. Sie haben mich neulich mit diesen Herren von der Staatsanwaltschaft so freundlich empfangen, dafür wollte ich Ihnen danken.«
    Man sah Maigret niemals seine Ironie an. Im Gegenteil! Je mehr er sich lustig machte, desto ernster, erstarrter war sein Gesichtsausdruck.
    Er schaute sich in dem Arbeitszimmer um. Die Wände waren mit Plänen von Frachtern und Fotografien von Schiffen der Anglo-Normande geschmückt. Die Mahagonimöbel waren von guter Qualität, aber nicht besonders geschmackvoll. Auf dem Schreibtisch lagen einige Akten,

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