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Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Sandes, in den die Füße einsanken. Es war so kalt, daß sie rote Nasen bekamen.
    »Ihr Bruder hat noch nie etwas Vernünftiges gemacht, nicht wahr?«
    Sie schwieg, blickte geradeaus auf den Strand vor ihr.
    »Es gibt Dinge, die sich einfach nicht verbergen lassen. Ich rede nicht nur von … von dem, was ihn ins Gefängnis gebracht hat …«
    »Natürlich! Immer wieder das! Noch in zwanzig Jahren wird man sagen …«
    »Aber nein! Aber nein, Julie! Louis ist ein guter Seemann. Es heißt, ein außerordentlich guter Seemann sogar! Fähig, die Stelle des Ersten Offiziers einzunehmen! Nur … eines schönen Tages betrinkt er sich mit Kameraden, die er zufällig trifft, macht Dummheiten, geht nicht auf sein Schiff zurück, streunt wochenlang herum, ohne zu arbeiten. Stimmt’s? Und in diesen Phasen wendet er sich an Sie. An Sie und, bis vor wenigen Wochen noch, an Joris. Danach hat er wieder eine ruhige und ehrenhafte Phase.«
    »Ja, und?«
    »Was war das für ein Vorhaben, für das Sie sich am 13. September Erfolg wünschten?«
    Sie blieb stehen, schaute ihm ins Gesicht. Sie war viel ruhiger geworden, hatte Zeit zum Nachdenken gehabt. Und in ihren Augen lag ergreifender Ernst.
    »Ich wußte genau, daß das nicht gut enden würde. Dabei hat mein Bruder gar nichts angestellt. Ich schwöre Ihnen, wenn er den Kapitän umgebracht hätte, wäre ich die erste gewesen, die es ihm mit gleicher Münze heimgezahlt hätte.«
    Gedämpfte Leidenschaftlichkeit lag in ihrer Stimme.
    »Nur, es trifft da eben einiges zusammen. Dann die Gefängnisgeschichte, die man immer wieder aufwärmt. Sobald jemand mal einen Fehler gemacht hat, macht man ihn für alles, was später passiert, verantwortlich.«
    »Was für einen Plan hatte Louis?«
    »Es war kein Plan. Es war etwas ganz Harmloses. Er hatte einen sehr reichen Herrn kennengelernt, ich weiß nicht mehr, ob in Le Havre oder in England. Seinen Namen hat er mir nicht gesagt. Ein Herr, der das Landleben satt hatte und der sich eine Yacht für seine Reisen kaufen wollte. Er hat sich an Louis gewandt, der ein Schiff für ihn finden sollte.«
    Sie waren am Strand stehengeblieben. Von Ouistreham konnte man gerade eben den Leuchtturm sehen, ein grellweißer Punkt, der sich vom blasseren Himmel abhob.
    »Louis hat mit seinem Chef darüber gesprochen. Denn der Krise wegen möchte Lannec schon seit einiger Zeit die ›Saint-Michel‹ verkaufen. Und das ist alles! Man könnte keinen besseren Schoner finden als die ›Saint-Michel‹, um ihn in eine Yacht zu verwandeln. Zuerst sollte mein Bruder zehntausend Francs bekommen, wenn das Geschäft zustande käme. Dann sprach der Käufer davon, ihn als Kapitän, als Vertrauensmann an Bord zu behalten.«
    Sie bereute die letzten Worte, die eine ironische Bemerkung geradezu herausforderten. Doch dann entdeckte sie ein Lächeln in Maigrets Gesicht und sie schien ihm dankbar zu sein, daß er nicht sagte:
    »Ein Sträfling als Vertrauensmann!«
    Nein. Maigret dachte nach. Er war selbst erstaunt über diese einfache Geschichte, einfach insofern, als sie verblüffend nach Wahrheit klang.
    »Aber Sie wissen nicht, wer dieser Käufer ist?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wo sollte Ihr Bruder ihn wiedersehen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Wann?«
    »Sehr bald. Der Umbau sollte anscheinend in Norwegen vorgenommen werden, und die Yacht sollte dann in einem Monat ins Mittelmeer, in Richtung Ägypten fahren.«
    »Ein Franzose?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Sind Sie heute zu Unserer Lieben Frau in den Dünen gegangen, um Ihre Muschel zurückzuholen?«
    »Ja, weil ich dachte, wenn man sie fände, würde man auf falsche Gedanken kommen. Geben Sie zu, daß Sie mir nicht glauben.«
    Anstatt zu antworten, fragte er:
    »Haben Sie ihren Bruder gesehen?«
    Sie fuhr zusammen.
    »Wann?«
    »Heute nacht oder heute morgen.«
    »Louis ist hier?«
    Sie schien bestürzt, verwirrt.
    »Die ›Saint-Michel‹ ist eingelaufen.«
    Diese Worte beruhigten sie ein wenig, als hätte sie befürchtet, ihr Bruder sei nicht auf dem Schoner gekommen.
    »Und? Ist er nach Caen gefahren?«
    »Nein. Er schlief an Bord eines der Schiffsbagger.«
    »Gehen wir!« sagte sie. »Mir ist kalt.«
    Die Meeresbrise wurde zunehmend kühler, der Himmel bedeckte sich mehr und mehr.
    »Kommt es öfter vor, daß er auf einem alten Schiff schläft?«
    Sie antwortete nicht. Die Unterhaltung kam ins Stocken. Sie gingen dahin und hörten nichts anderes als das Knirschen des Sandes, der unter ihren Schritten nachgab.
    Zwei

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