Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Maigret und der geheimnisvolle Kapitän

Titel: Maigret und der geheimnisvolle Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
Briefe, Telegramme.
    Der Fußboden war gebohnert, und es schien Maigret Spaß zu machen, seinen Blick über die blanke Fläche wandern zu lassen.
    »Es scheint, Sie haben einen Unfall gehabt?«
    Der Bürgermeister seufzte, bewegte die Beine, brummte:
    »Ein falscher Schritt, als ich die Treppe hinunterging.«
    »Heute morgen? Madame Grandmaison wird sich schön erschrocken haben!«
    »Meine Frau war schon weg.«
    »Das Wetter ist auch wirklich nicht für einen Aufenthalt am Meer geeignet! Es sei denn, man geht auf Entenjagd … Ich vermute, Madame Grandmaison ist mit ihrer Tochter in Caen?«
    »In Paris.«
    Der Reeder trug einfache Kleidung: Dunkle Hose, Hausmantel über einem grauen Flanellhemd, Filzpantoffeln.
    »Was war denn am Fuß der Treppe?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Worauf sind Sie gefallen?«
    Ein giftiger Blick, eine kühle Antwort:
    »Auf den Boden natürlich!«
    Das war gelogen! Und wie gelogen! Man kriegt kein Veilchenauge, wenn man auf den Boden fällt! Und vor allem hat man hinterher keine Würgemale am Hals!
    Denn sowie das Halstuch nur ein wenig verrutschte, konnte Maigret ganz genau die blutunterlaufenen Stellen sehen, die man vor ihm zu verbergen trachtete.
    »Natürlich waren Sie allein im Haus?«
    »Wieso natürlich?«
    »Weil diese Unfälle meist dann passieren, wenn niemand da ist, um Hilfe zu leisten.«
    »Das Mädchen war einkaufen.«
    »Ist sie die einzige Hausangestellte?«
    »Ich habe noch einen Gärtner, aber der ist nach Caen gefahren, um Besorgungen zu machen.«
    »Sie haben sich sicher wehgetan?«
    Was den Bürgermeister am meisten beunruhigte, waren der tiefe Ernst und die fast herzlich klingende Stimme Maigrets.
    Es war erst halb vier, aber es begann schon zu dunkeln, und der Raum befand sich im Zwielicht.
    »Gestatten Sie?«
    Er holte seine Pfeife aus der Tasche.
    »Wenn Sie eine Zigarre möchten … auf dem Kamin liegen welche.«
    Ein ganzer Stoß von Zigarrenkisten lag dort. Auf einem Tablett stand eine Karaffe mit altem Armagnac. Die hohen Türen waren aus lackiertem Pechkiefernholz.
    »Und wie läuft Ihre Untersuchung?«
    Eine vage Geste Maigrets, der sich nicht anmerken lassen wollte, daß er die in den Salon führende Tür beobachtete, die sich auf mysteriöse Weise bewegte.
    »Kein Ergebnis?«
    »Keines.«
    »Wollen Sie meine Meinung hören? Es war ein Fehler, so zu tun, als handle es sich um einen komplizierten Fall!«
    »Natürlich!« brummte Maigret. »Als ob an der ganzen Geschichte auch nur etwas Kompliziertes wäre! Da verschwindet eines Abends ein Mann und gibt einen Monat lang kein Lebenszeichen von sich. Sechs Wochen später findet man ihn mit gespaltenem und wieder geflicktem Schädel in Paris auf. Er hat das Gedächtnis verloren. Man bringt ihn in sein Haus zurück und in derselben Nacht wird er vergiftet. In der Zwischenzeit sind von Hamburg aus dreihunderttausend Francs auf sein Bankkonto überwiesen worden. So einfach ist das! Klarer geht’s nicht!«
    Die Ironie war jetzt trotz des gutmütigen Tons des Kommissars nicht mehr zu überhören.
    »Es ist vielleicht doch einfacher, jedenfalls einfacher, als Sie glauben. Aber in der Annahme, der Fall sei sehr mysteriös, wäre es vernünftiger – so denke ich – es zu unterlassen, die Leute leichtfertig in Panikstimmung zu versetzen. Und wenn man in gewissen Kneipen von diesen Dingen redet, verwirrt man zwangsweise einige Köpfe, denen der Alkohol so schon genug zusetzt.«
    Ein harter, inquisitorischer Blick war auf Maigret gerichtet. Der Bürgermeister sprach langsam, betonte jede Silbe, und es war, als begänne ein Verhör.
    »Andererseits hat die Polizei die zuständigen Behörden um keine einzige Auskunft gebeten. Ich, der Bürgermeister der Gemeinde, weiß nichts von dem, was dort unten im Hafen vorgeht!«
    »Trägt Ihr Gärtner Leinenschuhe?«
    Der Blick des Bürgermeisters glitt hastig über das gebohnerte Parkett, auf dem Schuhabdrücke zu sehen waren. Die geflochtenen Bastsohlen zeichneten sich deutlich ab.
    »Das weiß ich doch nicht!«
    »Entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbrochen habe … Mir ging da gerade ein Gedanke durch den Kopf. Was sagten Sie?«
    Aber Monsieur Grandmaison hatte den Faden verloren und er brummte nur:
    »Würden Sie mir bitte die oberste Zigarrenkiste holen? … Ja, die … Danke.«
    Er zündete eine Zigarre an und stöhnte auf vor Schmerz, weil er den Mund zu weit geöffnet hatte.
    »Kurz, wie weit sind Sie in der Sache? Es kann ja nicht sein, daß Sie noch keine interessanten

Weitere Kostenlose Bücher