Maigret und der geheimnisvolle Kapitän
von der etwas Asche herunterfiel.
»Während Sie die Kneipen abklappern, bin ich selbst nicht untätig, ohne Sie zu belästigen.«
»Und Sie laden Grand-Louis vor.«
»Ich lasse auch noch andere vorladen, wenn ich es für nötig halte … So, ich nehme an, Sie haben mir nichts Wesentliches mehr mitzuteilen.«
Er richtete sich mit etwas steifen Beinen auf, um seinen Besucher zur Tür zu geleiten.
»Ich hoffe«, murmelte Maigret, »Sie haben nichts dagegen, daß Louis mich begleitet. Ich habe ihn zwar schon letzte Nacht verhört, aber da sind noch einige Fragen, die ich ihm stellen möchte.«
Monsieur Grandmaison machte eine gleichgültige Geste. Grand-Louis aber blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf den Boden.
»Kommen Sie?«
»Nein. Nicht sofort.«
Wie alles, was Julies Bruder sagte, war auch das nur ein Grunzen.
»Sie sehen«, sagte der Bürgermeister, »ich widersetze mich keineswegs, daß er Ihnen folgt. Ich möchte, daß Sie mir das bestätigen, damit Sie mir nachher nicht vorwerfen, ich hätte Ihnen Steine in den Weg gelegt. Ich habe Grand-Louis kommen lassen, um mich über gewisse Punkte zu informieren. Wenn er bleiben möchte, dann hat er mir wahrscheinlich noch etwas zu sagen.«
Doch diesmal lag Angst in der Luft. Und nicht nur in der Luft! Und nicht nur Angst! Das war schon fast Panik, die man in den Augen des Bürgermeisters las!
Grand-Louis lächelte befriedigt wie über einen gelungenen Streich.
»Ich warte draußen auf Sie«, sagte der Kommissar zu ihm.
Aber er erhielt keine Antwort. Der Bürgermeister verabschiedete ihn:
»Auf ein freudiges Wiedersehen, Herr Kommissar!«
Die Tür war geöffnet. Das Hausmädchen kam aus der Küche geeilt und ging Maigret wortlos und mit mürrischem Gesicht bis zur Haustür voraus, die sie dann hinter ihm schloß.
Die Straße war leer. Hundert Meter weiter brannte Licht hinter einem Fenster, dann weitere Lichter in großen Abständen, denn die Häuser an der Riva-Bella-Straße waren von ziemlich großen Gärten umgeben.
Die Hände in den Taschen ging Maigret die wenigen Schritte bis zum Gartentor, hinter dem sich Brachland erstreckte. Dieser ganze Teil von Ouistreham lag direkt an den Dünen. Abgesehen von den Gärten gab es nichts als Sand und Dünengras.
Eine Gestalt im Dunkeln. Eine Stimme:
»Sind Sie’s, Kommiss…?«
»Lucas?«
Sie gingen schnell aufeinander zu.
»Was tust du hier?«
Lucas ließ den Gartenzaun nicht aus den Augen. Sehr leise sagte er:
»Der Mann vom Schiffsbagger.«
»Hat er ihn verlassen?«
»Er ist hier.«
»Schon lange?«
»Eine knappe Viertelstunde. Er steht hinter der Villa!«
»Ist er über den Gartenzaun geklettert?«
»Nein. Sieht so aus, als warte er auf jemanden. Da habe ich Ihre Schritte gehört, wollte nachsehen …«
»Bring mich hin.«
Sie gingen am Zaun entlang, hinter die Villa. Lucas fluchte.
»Was hast du?«
»Er ist weg.«
»Bist du sicher?«
»Er hatte sich bei dem Tamariskenstrauch versteckt.«
»Glaubst du, daß er hineingegangen ist?«
»Ich weiß nicht.«
»Bleib hier. Rühr dich unter keinen Umständen vom Fleck!«
Und Maigret rannte zur Straße. Er sah niemanden. Ein Lichtstrahl fiel aus dem Fenster des Arbeitszimmers, aber er konnte sich nicht an der Wand hochziehen.
Da zögerte er nicht länger. Er durchquerte den Garten, klingelte an der Haustür. Fast im selben Moment öffnete das Hausmädchen.
»Ich glaube, ich habe meine Pfeife im Arbeitszimmer des Herrn Bürgermeister vergessen.«
»Ich werde nachschauen.«
Sie ließ ihn auf der Schwelle stehen, aber sowie sie verschwunden war, trat Maigret ein, ging lautlos ein paar Stufen hoch und warf einen Blick in das Arbeitszimmer.
Der Bürgermeister saß wieder mit ausgestreckten Beinen an seinem Platz. Neben ihn hatte man ein kleines Tischchen gestellt. Auf der anderen Seite dieses Tischchens saß Grand-Louis.
Sie spielten Dame.
Der Exhäftling setzte einen Spielstein, brummte:
»Sie sind dran …«
Und der Bürgermeister, der nervös dem Mädchen zusah, das immer noch die Pfeife suchte, sagte:
»Sie sehen doch, daß sie nicht hier ist! Sagen Sie dem Kommissar, daß er sie anderswo verloren haben muß! … Sie sind jetzt dran, Louis.«
Und Louis in vertraulichem, selbstsicheren Ton:
»Bringen Sie uns dann etwas zu trinken, Marguerite!«
7
Der Drahtzieher
A
ls Maigret aus der Villa kam, merkte Lucas, daß es jetzt ernst werden würde. Der Kommissar kochte vor Wut. Er starrte geradeaus, schien nichts zu
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