Maigret und der gelbe Hund
Konservendosen waren ungeschickt geöffnet worden, mit irgendeinem Messer. Der Tisch war schmutzig, fettig. Man hatte direkt aus den Dosen gegessen – Heringe in Weißwein, kaltes Ragout, Steinpilze und Aprikosen.
Der Boden war bekleckert. Fleischreste lagen herum. Eine Flasche Weinbrand war zerbrochen, und der Geruch von Alkohol vermischte sich mit dem der Lebensmittel.
Maigret sah seinen Begleiter mit einem verschmitzten Lächeln an:
»Glauben Sie, Leroy, daß der Doktor diese Schweinerei angerichtet hat?«
Und da der andere in seiner Verblüffung keine Antwort gab:
»Seine Mama auch nicht, so hoffe ich! Und schon gar nicht das Dienstmädchen! Sehen Sie mal! Sie haben doch eine Vorliebe für Abdrücke … Das da sind aber wohl eher Schlammkrusten in Form einer Sohle … Größe fünfundvierzig oder sechundvierzig … Und die Spuren vom Hund!«
Er stopfte sich eine weitere Pfeife, nahm Schwefelhölzer von einem Regal.
»Halten Sie alles fest, was es hier drin festzuhalten gibt! An Arbeit fehlt es nicht … Bis gleich!«
Er ging fort, beide Hände in den Taschen, den Mantelkragen hochgeschlagen, den Strand von Sables Blancs entlang.
Als er das Hôtel de l’Amiral betrat, bemerkte er zuerst Doktor Michoux, noch immer in Hausschuhen, unrasiert, sein Foulard um den Hals.
Le Pommeret, ebenso korrekt wie am Abend zuvor, saß neben ihm, und die beiden Männer ließen den Kommissar näherkommen, ohne ein Wort zu sagen.
Schließlich brachte der Doktor mit tonloser Stimme hervor:
»Wissen Sie, was ich gerade erfahre? … Servières ist verschwunden … Seine Frau ist halb am Durchdrehen … Seit er uns gestern abend verlassen hat, ist er nicht wieder gesehen worden …«
Maigret fuhr zusammen, nicht wegen dem, was man ihm berichtete, sondern weil er gerade den gelben Hund zu Füßen Emmas erblickte.
3
Angst in Concarneau
Le Pommeret hatte das Bedürfnis, dies zu bestätigen, weil er sich gerne reden hörte.
»Gerade vorhin hat sie mich zu Hause aufgesucht und mich angefleht, Nachforschungen anzustellen. Servières, der mit richtigem Namen Goyard heißt, ist ein alter Kamerad …«
Maigrets Blick lief vom gelben Hund zur Tür, die sich öffnete, zu dem Zeitungsverkäufer, der wie ein Windstoß hereinkam, und fiel schließlich auf eine Schlagzeile in Fettdruck, die von weitem zu lesen war:
Angst in Concarneau
Im Untertitel hieß es dann:
Jeden Tag ein Verbrechen
Unser Mitarbeiter Jean Servières
verschwunden
Blutspuren in seinem Wagen
Wer ist der nächste?
Maigret hielt den Zeitungsjungen am Ärmel fest.
»Hast du schon viele verkauft?«
»Zehnmal so viele wie sonst. Wir kommen zu dritt vom Bahnhof her.«
Wieder losgelassen, setzte der Junge seinen Weg am Quai entlang fort und rief:
» Le Phare de Brest … Sondernummer …«
Der Kommissar hatte noch nicht einmal Zeit gehabt, den Artikel zu beginnen, als Emma verkündete:
»Sie werden am Telefon verlangt.«
Eine wütende Stimme, die des Bürgermeisters:
»Hallo, waren Sie es, der das Erscheinen dieses blöden Artikels veranlaßt hat? … Und ich bin nicht einmal auf dem laufenden! Ich erwarte, daß man mich als ersten darüber in Kenntnis setzt, was in dieser Stadt vorgeht, deren Oberhaupt ich bin! Was ist mit diesem Wagen? Und mit diesem Mann mit den großen Füßen? In der letzten halben Stunde habe ich über zwanzig Anrufe von aufgeregten Bürgern bekommen, die mich fragen, ob diese Nachrichten stimmten … Ich sage Ihnen noch einmal, daß ich in Zukunft verlange, daß …«
Ohne mit der Wimper zu zucken, legte Maigret auf, ging ins Café zurück, setzte sich und begann zu lesen. Michoux und Le Pommeret überflogen die gleiche Zeitung, die auf dem Marmortisch lag.
Unser tüchtiger Mitarbeiter Jean Servières hat an dieser Stelle selbst über die Ereignisse berichtet, zu deren Schauplatz Concarneau vor kurzem geworden ist. Es geschah am Freitag. Ein ehrenwerter Kaufmann der Stadt, Monsieur Mostaguen, verließ das Hôtel de l’Amiral, machte bei einem Hauseingang halt, um sich eine Zigarre anzuzünden, als ihn durch den Briefkasten des Hauses, eines unbewohnten Hauses, eine Kugel in den Bauch traf.
Am Samstag traf Kommissar Maigret, der erst kürzlich von Paris entsendet und mit der Leitung der mobilen Brigade von Rennes beauftragt wurde, am Tatort ein, was nicht verhinderte, daß sich ein weiteres Verbrechen ereignete.
Am Abend wurde uns nämlich telefonisch mitgeteilt, daß drei Notabeln der Stadt, die Herren Le
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