Maigret und der gelbe Hund
über.
»Wohin gehen Sie?«
»Ich weiß nicht … Frische Luft schnappen … Kommen Sie mit, Leroy?«
Als sie draußen waren, konnten sie noch den länglichen Kopf des Arztes erkennen, den die Scheiben verzerrten, noch länger machten und ihm eine grünliche Färbung verliehen.
»Wohin gehen wir?« fragte der Inspektor.
Maigret zuckte mit den Achseln, schlenderte eine Viertelstunde ziellos um das Hafenbecken herum, wie jemand, der sich für Schiffe interessiert. In der Nähe der Mole angelangt, wandte er sich nach rechts und schlug einen Weg ein, den ein Schild als die Straße nach Sables Blancs auswies.
»Wenn man die Zigarettenasche analysiert hätte, die auf dem Flur des leerstehenden Hauses gefunden wurde …«, begann Leroy nach einem Räuspern.
»Was halten Sie von Emma?« unterbrach ihn Maigret.
»Ich glaube … Nach meiner Meinung besteht die Schwierigkeit, besonders in einer Gegend wie dieser, wo alle sich kennen, wohl darin, sich soviel Strychnin zu beschaffen …«
»Das will ich gar nicht von Ihnen wissen … Wären Sie zum Beispiel gerne ihr Geliebter?«
Dem armen Inspektor fiel nichts ein, was er hätte antworten können. Und Maigret hieß ihn haltmachen und seinen Mantel öffnen, um sich vor dem Wind geschützt eine Pfeife anstecken zu können.
Der Strand von Sables Blancs, gesäumt von einigen Villen, darunter ein prächtiger Wohnsitz, der die Bezeichnung Schloß verdiente und dem Bürgermeister gehörte, erstreckte sich zwischen zwei felsigen Landzungen, drei Kilometer von Concarneau entfernt.
Maigret und sein Begleiter wateten durch den mit Tang bedeckten Schlick und sahen kaum zu den leeren Häusern hin, deren Fensterläden geschlossen waren. Jenseits des Strandes stieg das Gelände an. Von Fichten gekrönte Felsen fielen steil zum Meer ab.
Ein großes Schild: »Baugrundstücke Sables Blancs«. Ein Plan in verschiedenen Farben mit den Parzellen, die schon verkauft und jenen, die noch zu vergeben waren. Eine Holzbude: »Verkauf der Grundstücke.«
Schließlich der Hinweis: »Falls nicht besetzt, bitte sich an den Verwalter, Monsieur Ernest Michoux, wenden.«
Im Sommer, wenn alles aufgefrischt war, mußte das etwas Heiteres haben. Im Regen und im Schlamm, im Tosen der Brandung hatte es eher etwas Unheilvolles.
In der Mitte eine große, neue Villa, aus grauem Stein, mit Terrasse, Teich und Beeten, die noch nicht in Blüte standen.
Weiter entfernt die Rohbauten weiterer Villen: ein paar Mauern, die aus dem Boden ragten und schon die Räume andeuteten …
An der Holzbude fehlten einige Scheiben. Sandhaufen warteten darauf, auf die neue Straße verteilt zu werden, die von einer Preßwalze zur Hälfte versperrt wurde. Oben auf der Klippe ein Hotel, oder vielmehr ein künftiges Hotel, ein Rohbau, mit Mauern von grellem Weiß und Fenstern, die mit Brettern und Pappe abgedeckt waren.
Maigret ging in aller Ruhe voran, stieß die Schranke zur Seite, die Zugang zur Villa von Doktor Michoux gewährte. Als er beim Eingang stand und nach dem Türknauf griff, murmelte Inspektor Leroy:
»Wir haben keinen Hausdurchsuchungsbefehl! Meinen Sie nicht, daß …?«
Wieder einmal zuckte sein Chef mit den Achseln. Auf den Wegen waren die tiefen Spuren zu sehen, die die Pfoten des gelben Hundes hinterlassen hatten. Es gab noch weitere Spuren: von riesigen Füßen in Nagelschuhen. Mindestens Größe sechundvierzig!
Der Türknauf drehte sich. Wie durch Zauberei öffnete sich die Tür, und auf dem Teppich waren die gleichen Schlammspuren festzustellen: die des Hundes und der besagten Schuhe.
Die kompliziert gebaute Villa war protzig eingerichtet. Überall Nischen, Divane, niedrige Bücherschränke, bretonische Schrankbetten, die zu Vitrinen umgebaut waren, kleine türkische oder chinesische Tische. Viele Teppiche und Behänge!
Aus allem sprach sichtlich der Wille zur Gestaltung eines rustikal-modernen Ganzen.
Einige bretonische Landschaften. Signierte Akte mit Widmung: Dem lieben Freund Michoux , ja sogar: Dem Freund der Künstler .
Mißmutig besah sich der Kommissar den Klimbim, während diese falsche Vornehmheit auf Inspektor Leroy nicht ohne Eindruck blieb.
Und Maigret öffnete die Türen, warf einen Blick in die Zimmer. Manche waren nicht möbliert. Der Gips auf den Wänden war kaum trocken.
Zu guter Letzt stieß er eine Tür mit dem Fuß auf, und ein zufriedenes Murmeln kam über seine Lippen, als er die Küche sah. Auf dem weißen Holztisch standen zwei leere Flaschen Bordeaux.
Etwa zehn
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