Maigret und der gelbe Hund
sein Leinenüberzug fiel auf die Butterballen hinunter.
Der junge Polizist war so mutig, sich ganz alleine in die Sackgasse zu stürzen. Maigret, der die Örtlichkeiten kannte, kleidete sich ohne Hast vollends an.
Denn nunmehr konnte nur noch ein Wunder helfen, den Rohling wieder aufzugreifen. Das Gäßchen, zwei Meter breit, verlief um zwei Ecken im rechten Winkel. Zwanzig Häuser, die zum Quai oder zum Platz hinaus lagen, hatten einen Ausgang zu der Sackgasse. Zudem gab es Schuppen, die Lager eines Händlers, der Taue und anderes Schiffszubehör verkaufte, ein Depot für Konservendosen, kurz, ein Wirrwarr von Bauten, Winkeln, Ecken und leicht zugänglichen Dächern, die eine Verfolgung fast unmöglich machten.
Nun hielt sich die Menge in einiger Entfernung. Die Frau, die umgestoßen worden war, drohte rot vor Entrüstung mit der Faust in alle Himmelsrichtungen, während die Tränen an ihrem Kinn zitterten.
Der Fotograf verließ das Hotel, einen Trenchcoat über seinem Pyjama, barfuß.
Eine halbe Stunde später traf der Bürgermeister ein, kurz nach dem Inspektor der Gendarmerie, dessen Männer begannen, die Nachbarhäuser zu durchsuchen.
Als er Maigret in Begleitung des jungen Polizisten im Café zu Tisch antraf, damit beschäftigt, Toasts zu verspeisen, durchfuhr den ersten Magistraten der Stadt ein Beben der Entrüstung.
»Ich habe Sie gewarnt, Kommissar, daß ich Sie zur Verantwortung ziehen werde für … für … Aber das scheint Sie nicht zu berühren! Ich werde sogleich ein Telegramm an das Innenministerium schicken, um es davon in Kenntnis zu setzen, daß … daß …, und um darum zu ersuchen … Haben Sie eigentlich gesehen, was da draußen los ist? … Die Leute trauen sich nicht in ihre Häuser … Ein gelähmter Greis jammert vor Entsetzen, weil er in einem zweistöckigen Haus festsitzt … Man vermutet den Verbrecher überall …«
Maigret drehte sich um und bemerkte Ernest Michoux, der sich wie ein ängstliches Kind möglichst in seiner Nähe hielt, ohne einen stärkeren Luftzug zu verursachen als ein Gespenst.
»Sie werden feststellen, daß es die hiesige Polizei war, also einfache Polizisten, die ihn festgenommen haben, während …«
»Legen Sie noch immer Wert darauf, daß ich jemanden verhafte?«
»Was wollen Sie damit sagen? … Geben Sie etwa vor, den Ausreißer dingfest zu machen?«
»Sie haben gestern von mir eine Verhaftung verlangt, irgendeine …«
Die Journalisten waren draußen, halfen den Gendarmen bei ihrer Fahndung. Das Café war nahezu leer, unaufgeräumt, denn man hatte noch nicht die Zeit gehabt, sauber zu machen.
Ein beißender Geruch von kaltem Tabak legte sich einem auf die Brust. Man trat auf Zigarettenstummeln, Speichelresten, Sägemehl und zerschlagenen Gläsern herum.
Unterdessen zog der Kommissar aus seiner Brieftasche einen noch nicht ausgefüllten Haftbefehl hervor.
»Sagen Sie bloß ein Wort, Herr Bürgermeister, und ich …«
»Ich möchte zu gern wissen, wen Sie verhaften würden!«
»Emma! Eine Feder und Tinte, bitte.«
Er rauchte in kurzen Zügen. Er hörte, wie der Bürgermeister brummelte, in der Hoffnung, gehört zu werden:
»Alles Bluff …«
Aber er ließ sich nicht aus der Fassung bringen, schrieb mit großen, dicken Grundstrichen, wie es seine Gewohnheit war:
»… den besagten Ernest Michoux, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft von Sables Blancs …«
Es war eher komisch als tragisch. Der Bürgermeister las es verkehrt herum. Maigret sagte:
»Bitteschön! Da Sie darauf bestehen, verhafte ich den Doktor …«
Dieser sah sie beide an, rang sich ein gezwungenes Lächeln ab, wie ein Mann, der nicht weiß, was er auf einen Scherz antworten soll. Der Kommissar aber beobachtete Emma, die zur Kasse ging und sich plötzlich umdrehte, weniger bleich als sonst, und die ein Zittern der Freude nicht unterdrücken konnte.
»Ich nehme an, Kommissar, Sie sind sich im klaren über die Tragweite dieses …«
»Das ist mein Beruf, Herr Bürgermeister.«
»Und nach allem, was gerade vorgefallen ist, kommt Ihnen nichts weiter in den Sinn, als einen meiner Freunde zu verhaften … oder vielmehr, einen meiner Kameraden … jedenfalls einen der Notabeln von Concarneau, einen Mann, der …«
»Haben Sie ein komfortables Gefängnis?«
Michoux schien sich währenddessen einzig zu bemühen, seinen Speichel hinunterzuschlucken.
»Außer dem Polizeirevier im Rathaus gibt es nur die Gendarmerie in der Altstadt …«
Inspektor Leroy war
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