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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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und von der Konstitution des einzelnen. Manchmal nach einer halben Stunde, ein andermal nach zwei Stunden.«
    »Und der Tod?«
    »… tritt erst nach der totalen Lähmung ein. Zuvor kommt es aber zu Teillähmungen. Daher ist es möglich, daß er versucht hat zu rufen. Er hat auf diesem Diwan gelegen …«
    Derselbe Diwan, der dem Quartier von Le Pommeret den Namen »Haus der Schandtaten« eingebracht hatte! Um dieses Möbel herum hingen die galanten Gravuren in größerer Zahl als sonstwo. Eine Nachttischlampe verbreitete rosa Licht.
    »Er hat sich heftig bewegt, wie in einem Anfall Delirium tremens . Er starb auf dem Boden …«
    Maigret ging auf die Tür zu, durch die ein Fotograf eintreten wollte, und schloß sie vor seiner Nase.
    Er rechnete halblaut:
    »Kurz nach sieben Uhr hat Le Pommeret das Café des Hôtel de l’Amiral verlassen … Er hatte einen Weinbrand mit Soda getrunken … Hier hat er eine Viertelstunde später gegessen und getrunken … Nach allem, was Sie mir von der Wirkung des Strychnins gesagt haben, hat er das Gift ebensogut dort wie hier schlucken können …«
    Ganz plötzlich begab er sich ins Erdgeschoß, wo die Vermieterin weinte, umringt von drei Nachbarinnen.
    »Wo sind die Teller, die Gläser vom Abendessen?«
    Es dauerte eine Weile, bis sie begriff. Und als sie antworten wollte, hatte er schon in der Küche ein Becken mit noch heißem Wasser entdeckt, saubere Teller auf der Linken, schmutzige auf der Rechten und Gläser.
    »Ich war dabei, das Geschirr zu spülen, als …«
    Ein Polizeisergeant traf ein.
    »Bewachen Sie das Haus. Bringen Sie alle Leute hinaus, außer der Eigentümerin … Und kein Journalist, kein Fotograf! Kein Glas, keinen Teller anrühren …«
    Fünfhundert Meter waren durch den Wind bis zum Hotel zurückzulegen. Die Stadt lag im Dunkel. Kaum zwei oder drei Fenster waren noch hell, weit voneinander entfernt.
    Auf dem Platz jedoch, an der Ecke gegen den Quai, drang aus den drei grünlichen Fensteröffnungen des Hôtel de l’Amiral noch Licht, aber wegen der Scheiben wirkte das Ganze eher wie ein monströses Aquarium.
    Beim Näherkommen vernahm man den Lärm von Stimmen, das Läuten des Telefons, das Brummen eines Wagens, der in Gang gesetzt wurde.
    »Wo wollen Sie hin?« fragte Maigret.
    Er wandte sich an einen Journalisten.
    »Die Leitung ist besetzt! Ich gehe anderswohin telefonieren … In zehn Minuten ist es für meine Pariser Ausgabe schon zu spät …«
    Inspektor Leroy stand im Café und wirkte wie ein Schulaufseher bei der Beaufsichtigung der Hausaufgaben. Jemand schrieb unentwegt. Staunend, aber voller Begeisterung stand der Vertreter da in dieser für ihn neuen Atmosphäre.
    Alle Gläser waren auf den Tischen geblieben. Es gab Gläser mit Fuß, in denen Aperitifs serviert worden waren, Halbe, die noch reichlich Schaum enthielten, kleine Likörgläser.
    »Um welche Zeit sind die Tische abgeräumt worden?«
    Emma grübelte nach.
    »Ich könnte es nicht sagen. Einige Gläser habe ich nach und nach weggenommen … Andere stehen seit dem Nachmittag da …«
    »Und das Glas von Monsieur Le Pommeret?«
    »Was hat er getrunken, Monsieur Michoux?«
    Maigret war es, der antwortete:
    »Einen Weinbrand mit Soda.«
    Sie sah sich einen Bierdeckel nach dem andern an.
    »Sechs Francs … Aber einem dieser Herren habe ich einen Whisky serviert, und der kostet genausoviel … Vielleicht ist es dieses Glas hier … Vielleicht auch nicht …«
    Der Fotograf, der nicht die Fassung verlor, machte von der gesamten graugrünen Glasware, die auf den Marmortischen ausgestellt war, Aufnahmen.
    »Holen Sie mir den Apotheker!« befahl der Kommissar Leroy.
    Und es wurde die Nacht der Gläser und Teller. Man brachte Gläser aus dem Haus des Vizekonsuls von Dänemark. Die Reporter drangen in das Labor des Apothekers ein, als seien sie dort zu Hause, und einer von ihnen, ein ehemaliger Medizinstudent, wirkte sogar bei den Analysen mit.
    Der Bürgermeister hatte am Telefon bloß in scharfem Ton bemerkt:
    »… auf Ihre Verantwortung …«
    Man fand nichts. Dafür erschien plötzlich der Wirt und fragte:
    »Was ist denn aus dem Hund geworden?«
    Der Abstellraum, wo man ihn auf Stroh gebettet hatte, war leer. Der gelbe Hund, der wegen des Verbands, der seine Hinterhand einschnürte, nicht laufen oder sich auch nur fortschleppen konnte, war verschwunden.
    Die Gläser brachten nichts an den Tag.
    »Das von Monsieur Le Pommeret ist vielleicht gespült worden … Ich weiß nicht mehr … Bei

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