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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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trocknete. In dem Muschelkästchen lag nichts weiter außer einem Federhalter aus zugeschnittenem Bein, in dem man unter einer Glaslinse die Krypta von Notre-Dame de Lourdes erkennen konnte.
    »Ist jemand in dem Zimmer, das gewöhnlich der Doktor bewohnt?« fragte er.
    »Ich denke nein. Die Journalisten sind im zweiten Stock untergebracht.«
    Der Kommissar durchstöberte den Raum für alle Fälle noch einmal, fand aber nichts Interessantes. Wenig später war er im ersten Stockwerk, stieß die Tür von Zimmer Nr. 3 auf, von dessen Balkon man Hafen und Reede überblickte.
    Das Bett war gemacht, der Fußboden war gebohnert. Über dem Krug lagen frische Handtücher.
    Die Blicke des Inspektors folgten seinem Chef voller Neugier, gemischt mit Skepsis. Maigret selbst pfiff vor sich hin und schaute sich um, bemerkte einen kleinen Eichentisch, der vor dem Fenster stand und auf welchem sich eine Reklame-Schreibunterlage sowie ein Aschenbecher befanden.
    In der Schreibunterlage lag weißes Papier mit dem Aufdruck der Hotelanschrift und ein blauer Umschlag mit den gleichen Angaben. Aber auch zwei große Löschblätter lagen darin, wovon das eine nahezu schwarz vor Tinte war, während das andere nur wenige, unvollständige Abdrücke von Buchstaben zeigte.
    »Holen Sie mir einen Spiegel, mein Lieber!«
    »Einen großen?«
    »Egal! Irgendeinen Spiegel, den ich auf den Tisch stellen kann.«
    Als der Inspektor wiederkam, traf er Maigret auf dem Balkon stehend an, die Daumen in die Ärmelausschnitte der Weste geschoben, seine Pfeife mit offensichtlicher Genugtuung rauchend.
    »Ist der recht?«
    Die Balkontür wurde wieder geschlossen. Maigret stellte den Spiegel auf den Tisch, und gegenüber davon stellte er mit Hilfe von zwei Leuchtern, die er vom Kamin nahm, das Löschblatt auf.
    Die Schrift, die im Spiegel wiedergegeben wurde, war keineswegs einfach zu lesen. Ganze Buchstaben und Wörter fehlten. Andere, die allzu entstellt waren, mußten erraten werden.
    »Jetzt habe ich begriffen!« sagte Leroy verschmitzt.
    »Gut! Dann gehen Sie zum Wirt und bitten ihn um ein Buchführungsheft von Emma oder um irgend etwas anderes, was sie geschrieben hat.«
    Maigret begann, die Wörter mit Bleistift auf ein Blatt Papier zu schreiben:
    »… Dich sehen … Uhr … unbewohnten … unbedingt …«
    Als der Inspektor wiederkam, füllte der Kommissar annähernd die Lücken und rekonstruierte das Schreiben folgendermaßen:
     
    Ich muß Dich sehen. Komm morgen um elf Uhr zu dem unbewohnten Haus, das am Platz steht, etwas weiter als das Hotel. Du mußt unbedingt kommen. Du brauchst bloß zu klopfen, und ich mache Dir die Tür auf.
     
    »Hier ist das Heft, in dem Emma Buch führte!« verkündete Leroy.
    »Ich brauche es nicht mehr. Der Brief ist unterschrieben. Sehen Sie, hier … ›mma‹. Also: Emma. Und der Brief wurde in diesem Zimmer geschrieben!«
    »In dem sich das Serviermädchen mit dem Doktor traf?« sagte der Inspektor fassungslos.
    Maigret verstand seine Abneigung dagegen, diese Vermutung gelten zu lassen, erst recht nach der Szene, die sie nachts zuvor, auf dem Sims hockend, beobachtet hatten.
    »In diesem Falle wäre sie es dann, die …?«
    »Sachte! Sachte, mein Junge! Keine übereilten Schlüsse! Und vor allem keine Rückschlüsse. Um welche Uhrzeit kommt der Zug an, der uns Jean Goyard herbringt?«
    »Um elf Uhr zweiunddreißig.«
    »Sie machen nun folgendes, mein Lieber! Zunächst werden Sie den beiden Kollegen, die ihn begleiten, ausrichten, daß sie mir den Guten zur Gendarmerie bringen sollen. Er wird also gegen Mittag dort eintreffen. Dann werden Sie den Bürgermeister anrufen und ihm sagen, daß ich mich freuen würde, ihn zur selben Zeit am selben Ort anzutreffen … Warten Sie! Die gleiche Nachricht an Madame Michoux, die Sie telefonisch in ihrer Villa erreichen werden. Und schließlich ist es wahrscheinlich, daß die Polizisten oder die Gendarmen Emma und ihren Geliebten noch herbringen. An denselben Ort zur selben Zeit! … Habe ich auch niemanden vergessen? … Gut! Einen Rat! Emma soll nicht in meiner Abwesenheit vernommen werden. Verhindern Sie sogar, daß Sie redet.«
    »Was ist mit dem Zöllner?«
    »Den brauche ich nicht.«
    »Monsieur Mostaguen …«
    »Hm! … Nein! … Das ist alles.«
    Im Café bestellte Maigret einen Branntwein aus der Region, den er mit sichtlichem Wohlgefallen kostete, wobei er zu den Journalisten die Bemerkung machte:
    »Es geht zu Ende, Messieurs! Heute abend können Sie wieder nach Paris

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