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Maigret und der gelbe Hund

Maigret und der gelbe Hund

Titel: Maigret und der gelbe Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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endgültig dazu überredet, eine herrliche Villa auf dem höchsten Punkt der Küste zu errichten.«
    »Noch eine Frage, Herr Bürgermeister … Wem gehörte zuvor das Land, das nun parzelliert wird?«
    Sein Gesprächspartner zögerte nicht.
    »Mir! Es handelt sich um einen Familienbesitz, genau wie diese Villa. Es wuchs dort nur Heidekraut und Ginster, als die Familie Michoux auf den Gedanken kam …«
    In diesem Augenblick verlöschte das Licht in der Ferne.
    »Noch ein Glas Whisky, Kommissar? Selbstverständlich lasse ich Sie von meinem Fahrer zurückbringen.«
    »Sie sind zu liebenswürdig. Ich gehe sehr gerne zu Fuß, vor allem wenn ich nachdenken muß.«
    »Was halten Sie von dieser Geschichte mit dem gelben Hund? Ich gestehe, daß mich das vielleicht am meisten verunsichert … Das und der vergiftete Pernod! … Denn schließlich …«
    Maigret aber suchte ringsum nach seinem Hut und seinem Mantel. Dem Bürgermeister blieb nichts anderes übrig, als auf den Klingelknopf zu drücken.
    »Die Sachen vom Herrn Kommissar, Delphin!«
    Die Stille war so vollkommen, daß man das dumpfe, rhythmische Rauschen der Brandung an den Klippen hörte, auf denen die Villa stand.
    »Möchten Sie meinen Wagen wirklich nicht nehmen?«
    »Wirklich nicht …«
    Spuren der Verlegenheit blieben im Raum zurück, jenen Rauchspuren gleich, die sich unter den Lampen verzogen.
    »Ich frage mich, wie wohl morgen die Stimmung der Leute sein wird … Wenn die See nur schwach bewegt ist, dann haben wir wenigstens die Fischer von den Straßen, denn sie werden dies nutzen, um ihre Reusen auszulegen …«
    Maigret nahm seinen Mantel aus den Händen des Dieners, und streckte seine große Hand aus. Der Bürgermeister hatte noch weitere Fragen, aber er zögerte wegen der Anwesenheit des Hausangestellten.
    »Wie lange glauben Sie, wird es jetzt noch dauern, bis …«
    Die Uhr schlug eins.
    »Heute abend, so hoffe ich, wird alles vorbei sein.«
    »So rasch? Trotz allem, was Sie mir gerade erst gesagt haben? In diesem Fall tippen Sie also auf Goyard? Es sei denn …«
    Es war zu spät. Maigret betrat das Treppenhaus. Der Bürgermeister suchte nach einem letzten Satz. Er fand nichts, was seine Empfindung ausdrückte.
    »Es ist mir peinlich, Sie zu Fuß zurückgehen zu lassen … Über diese Wege …«
    Die Tür wurde wieder geschlossen. Maigret war auf der Landstraße, über dem Kopf einen herrlichen Himmel, an dem schwere Wolken um die Wette am Mond vorüberzogen.
    Es ging eine frische Brise. Der Wind kam von der offenen See, roch nach Tang, den man in dicken Knäueln auf dem Sand des Strandes ahnte.
    Der Kommissar ging langsamen Schrittes, die Hände in den Taschen, die Pfeife zwischen den Zähnen. Als er sich umwandte, sah er von weitem, wie die Lichter in der Bibliothek verlöschten, und dann, wie andere im zweiten Stock aufleuchteten, wo sie von Vorhängen gedämpft wurden.
    Er nahm nicht den Weg durch die Stadt, sondern ging den Strand entlang, so wie es der Zöllner getan hatte, bleib einen Augenblick an der Ecke stehen, wo der Mann verletzt worden war. Alles war ruhig. Hie und da eine Laterne. Concarneau schlief.
    Als er auf dem Platz anlangte, sah er die Fensteröffnungen des Cafés, aus denen noch Licht fiel und die den Frieden der Nacht mit ihrem giftgrünen Schein störten.
    Er stieß die Tür auf. Ein Journalist diktierte am Telefon:
    »… Man weiß nicht mehr, wen man verdächtigen soll. Auf den Straßen betrachten sich die Leute voller Angst. Ob etwa der da der Mörder ist? Oder jener da? Nie zuvor war die geheimnis- und angstdurchdrungene Atmosphäre so erdrückend …«
    Der Wirt, finster, stand höchstpersönlich an der Kasse. Als er den Kommissar bemerkte, wollte er reden. Seine Vorwürfe waren schon im voraus zu erraten.
    Das Café war in Unordnung. Auf allen Tischen lagen Zeitungen, standen leere Gläser, und ein Fotograf war damit beschäftigt, Abzüge auf den Heizkörpern trocknen zu lassen.
    Inspektor Leroy kam auf seinen Chef zu.
    »Das ist Madame Goyard«, sagte er halblaut und deutete dabei auf eine pummelige Frau, die kraftlos auf der Bank hockte.
    Sie erhob sich. Sie wischte sich die Augen.
    »Sagen Sie, Kommissar! Stimmt das? … Ich weiß nicht mehr, wem ich glauben soll … Jean scheint am Leben zu sein? Aber das ist doch nicht möglich, oder? Daß er diese Komödie gespielt haben soll! Er hätte mir das nicht angetan! Er hätte mich nicht in einer solchen Ungewißheit gelassen! Ich glaube, ich verliere noch den Verstand!

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