Maigret und der gelbe Hund
daß …«
»Genau! Das habe ich schon dem Bürgermeister letzte Nacht gesagt. Ein komischer Kauz, unter uns gesagt, dieser Bürgermeister. Was meinen Sie denn?«
»Ich? … Ich weiß nicht … Ich …«
»Nun, er hat Ihnen das parzellierte Gelände verkauft. Sie stehen mit ihm in Beziehung. Sie sind sozusagen miteinander befreundet.«
»Wir unterhielten vornehmlich geschäftlich und gutnachbarschaftliche Beziehungen … Auf dem Land …«
Maigret fiel auf, daß die Stimme wieder fester wurde, daß der Blick des Arztes nicht mehr so unsicher war.
»Was haben Sie ihm gesagt?«
Maigret zog sein Notizbuch aus der Tasche.
»Ich habe ihm gesagt, daß die Serie der Verbrechen oder, wenn Sie dies vorziehen, der Mordversuche von keiner der uns zur Zeit bekannten Personen verübt worden sein kann. Ich mochte die Fälle nicht einen nach dem andern durchgehen. Ich fasse zusammen. Ich rede objektiv, als Mann vom Fach, ja? Nun, es ist sicher, daß Sie selber letzte Nacht nicht auf den Zöllner haben schießen können, was ausreichen könnte, um Sie aus dem Spiel zu lassen. Auch Le Pommeret hat nicht schießen können, denn er wird morgen früh beerdigt. Erst recht nicht Goyard, den man gerade in Paris wiedergefunden hat! Und sie konnten sich auch alle beide am vergangenen Freitag abend nicht hinter dem Briefkasten des unbewohnten Hauses befunden haben. Auch Emma nicht.«
»Aber der Vagabund mit dem gelben Hund?«
»Ich habe darüber nachgedacht! Weder hat er Le Pommeret vergiftet, noch war er letzte Nacht in der Nähe des Schauplatzes, als sich das Verbrechen gerade ereignet hat … Deswegen habe ich dem Bürgermeister von einer unbekannten Person erzählt, einem rätselhaften X, der alle diese Verbrechen verübt haben könnte. Es sei denn …«
»Es sei denn?«
»Es sei denn, es handelt sich gar nicht um eine Serie! Stellen Sie sich statt einer Art einseitigem Angriff einen regelrechten Kampf zwischen zwei Gruppen oder zwei Individuen vor.«
»Aber Kommissar, was soll dann aus mir werden? Wenn unbekannte Gegner umherschleichen, dann bin ich …«
Und sein Gesichtsausdruck wurde wieder unsicher. Er faßte sich mit beiden Händen an den Kopf.
»Wenn ich daran denke, daß ich krank bin, daß die Arzte mir strengste Ruhe empfehlen! … Ach! Eine Kugel oder gar Gift wird gar nicht nötig sein, um mich zu kriegen. Sie werden noch sehen, daß meine Niere schon das Nötige tun wird.«
»Was halten Sie vom Bürgermeister?«
»Ich weiß nicht! Ich weiß nichts! Er entstammt einer sehr reichen Familie. Als junger Mann hat er in Paris ein aufwendiges Leben geführt. Er hat seinen eigenen Reitstall gehabt. Dann ist er solide geworden. Einen Teil seines Vermögens hat er gerettet und ist hergekommen, um sich hier niederzulassen, im Hause eines Großvaters, der auch Bürgermeister von Concarneau war. Er hat mir das Gelände verkauft, mit dem er nichts anfangen konnte. Ich glaube, er würde gerne zum Departementsrat ernannt werden, um in den Senat zu kommen …«
Der Arzt war aufgestanden, und man hätte schwören können, daß er innerhalb weniger Tage zehn Kilo abgenommen hatte. Hätte er angefangen, vor lauter Aufregung loszuweinen, so hätte man sich darüber nicht gewundert.
»Was wollen Sie daraus entnehmen? … Und dieser Goyard, der sich in Paris befindet, wenn man glauben soll, was … Was soll er denn dort wohl machen? Und weswegen?«
»Wir werden es bald erfahren, denn er kommt nach Concarneau. Er ist sogar schon hier eingetroffen.«
»Ist er verhaftet worden?«
»Er ist gebeten worden, zwei Herren bis hierher zu folgen. Das ist nicht dasselbe.«
»Was hat er gesagt?«
»Nichts! Man hat ihn nämlich nichts gefragt!«
Da sah der Arzt dem Kommissar auf einmal ins Gesicht. Schlagartig schoß ihm das Blut in die Wangen.
»Was soll das heißen? Ich habe den Eindruck, daß irgend jemand den Verstand verliert! Sie kommen und erzählen mir vom Bürgermeister, von Goyard … Und ich ahne, verstehen Sie, ich ahne, daß ich vom einem Augenblick zum anderen umgebracht werde … Trotz dieser Gitter, die nichts verhindern werden! Trotz diesem dicken Dummkopf von Gendarm, der auf dem Hof Wache hält! Aber ich will nicht sterben! Ich will nicht! Man soll mir doch nur einen Revolver geben, damit ich mich verteidigen kann! Oder man soll die einsperren, die mir nach dem Leben trachten, die, die Le Pommeret umgebracht haben, die die Flasche vergiftet haben …«
Er bebte von Kopf bis Fuß.
»Ich bin kein Held, nein! Es ist
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