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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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›Henry Gallet war um 15 Uhr bei seiner Mutter in Saint-Fargeau. Ist jetzt um sechs immer noch dort.‹ «
    »Na und?«
    »Das heißt, mit Henry ist nichts. Somit kann es nur noch unser Jacob gewesen sein, der auf Sie geschossen hat, und den kriegen wir vorläufig so wenig zu fassen wie eine Seifenblase …«

8
Monsieur Jacob
    Nein, warte, Aurore! In diesem Zustand kannst du dich unmöglich zeigen …«
    Eine undeutliche Stimme antwortete:
    »Ich kann mir nicht helfen, Françoise. Dieser Besuch erinnert mich an jenen andern, vor acht Tagen … Und an jene Bahnfahrt! Du verstehst nicht …«
    »Was ich nicht verstehe, ist, wie du einem solchen Mann nachtrauern kannst! Einem Halunken, der nichts wie Schande über dich gebracht hat, der dich angelogen und der in seinem ganzen Leben nur eine gute Tat vollbracht hat, nämlich den Abschluß einer Lebensversicherung …«
    »Schweig …«
    »Und sogar da hat er dich angeschwindelt. Er ließ dich ein fast armseliges Leben führen, indem er dir weismachte, er verdiene nur zweitausend Franc im Monat. Diese Lebensversicherung beweist doch aber, daß er mindestens das Doppelte verdiente und es dir verheimlichte. Wer weiß übrigens, ob es nicht noch mehr war? Wenn du mich fragst: Der Mann führte ein Doppelleben! Irgendwo hatte er eine Geliebte, vielleicht sogar Kinder …«
    »Hör auf, Françoise, ich bitte dich!«
    Maigret saß allein im Salon der Villa in Saint-Fargeau. Das schielende Mädchen hatte vergessen, beim Hinausgehen die Tür zu schließen, und die zwei Frauenstimmen drangen aus dem Eßzimmer, dessen Tür zum Korridor ebenfalls nur angelehnt war.
    Die Möbel standen wieder an ihrem ursprünglichen Platz. Beim Anblick des schweren Eichentischs mußte der Kommissar unwillkürlich an den Sarg und die Kerzenleuchter denken, die noch vor wenigen Tagen auf der mit schwarzem Tuch verhüllten Tischfläche gestanden hatten.
    Der Tag war trüb und schwül. In der Nacht hatte es ein Gewitter gegeben, aber man spürte, daß die Wolken sich nicht restlos entladen hatten.
    »Warum soll ich schweigen? Glaubst du denn, das alles gehe mich nichts an, mich, deine Schwester? Jacques ist soeben auf einen wichtigen politischen Posten berufen worden. Was glaubst du werden die Leute sagen, wenn sie erfahren, daß sein Schwager ein Gauner war?«
    »Wozu bist du überhaupt hergekommen, Françoise? Seit zwanzig Jahren haben wir uns nicht mehr …«
    »… gesehen, stimmt. Weil ich ihn nicht sehen wollte. Damals, als du erklärt hast, du würdest ihn heiraten, habe ich mit meiner Meinung bekanntlich nicht hinter dem Berg gehalten. Jacques auch nicht. Wenn man Aurore Préjean heißt, einen Schwager hat, der eine der größten Gerbereien in den Vogesen leitet, und einen zweiten, der demnächst zum Kabinettschef eines Ministers avanciert, dann geht man nicht hin und heiratet einen Emile Gallet! Gott, allein der Name! Und obendrein ein Handlungsreisender …
    Ich frage mich bloß, wie unser Vater diese Heirat billigen konnte. Oder nein, eigentlich kann ich es mir denken.
    Vater war in seinen letzten Jahren ja nur noch von dem Wunsch besessen, seine Zeitung herauszubringen, und zwar um jeden Preis. Und Gallet hatte seine dreißigtausend, die er denn auch prompt in den Soleil steckte … Willst du etwa behaupten, das sei nicht wahr? Aber daß du, meine eigene Schwester, dir eine solche Null aussuchst, wo du die gleiche Erziehung genossen hast wie ich und Mama so ähnlich siehst!
    Schau mich nicht so an! Ich will dir nur erklären, weshalb du keinen Grund hast, Tränen zu vergießen … Warst du überhaupt glücklich mit ihm? … Komm, sei ehrlich!«
    »Ich weiß es nicht … Ich weiß es nicht mehr …«
    »Gib zu, du hast mehr vom Leben erwartet!«
    »Ich hoffte immer, er würde sich eines Tages selbständig machen. Ich versuchte ihn anzuspornen …«
    »Genauso gut könnte man einen Kieselstein anspornen. Aber mit der Zeit hast du dich mit allem abgefunden, nicht wahr? Du hattest nicht einmal eine Ahnung, daß du nach seinem Tod nicht ganz so arm sein würdest, wie es aussah … Ohne diese Versicherung …«
    »Daran hat er jedenfalls gedacht«, erwiderte Madame Gallet zögernd.
    »Hoffentlich! Das hätte gerade noch gefehlt! Wenn man dich so reden hört, möchte man fast meinen, du hast ihn geliebt.«
    »Sei still! Der Kommissar könnte uns hören. Er wartet im Salon. Ich muß ihn empfangen.«
    »Wie ist er? … Warte, ich komme besser mit. In diesem Zustand kann ich dich nicht allein lassen

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