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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Jahrgängen des Soleil , die seine Frau geerbt hatte, Kapital zu schlagen.
    Die in bescheidener Auflage erschienene, fast ausschließlich an ihre spärlichen Abonnenten gerichtete und vom alten Préjean redigierte Zeitschrift hatte in gewissen Landjunkerkreisen die Hoffnung geschürt, eines Tages wieder einen Bourbonen auf Frankreichs Thron zu setzen.
    Maigret hatte die Jahrgänge des Soleil durchgeblättert und festgestellt, daß jede Nummer eine halbe Seite mit den Namen der Spender enthielt, deren Beiträge einer verarmten adeligen Familie, der Propagandakasse oder auch der würdigen Begehung eines historischen Gedenktages zugute kamen.
    Diese Listen mußten Gallet dazu bewogen haben, sich an die Royalisten heranzumachen. Er besaß ihre Adressen. Er wußte sogar, bis zu welchem Grad er sie schröpfen konnte und an welche Gefühle er im einzelnen Fall appellieren mußte.
    »Handelt es sich um die gleiche Schrift wie auf den anderen Papieren?«
    »Ja. Mein Lehrer, Professor Locard, könnte Ihnen natürlich mehr darüber sagen. Es ist eine gleichmäßige, sorgfältige Handschrift, die nur an den Satzenden bisweilen Hast oder auch Resignation verrät. Ein Graphologe würde Ihnen sofort bestätigen, daß der Schreibende ein kranker Mann war und daß er das wußte.«
    »Ausgezeichnet! Mehr brauche ich nicht zu wissen. Und jetzt machen Sie gefälligst Schluß für heute!«
    Er trat zur Gardine, betrachtete die beiden Löcher, die von zwei Kugeln herrührten.
    »Zeigen Sie mir doch noch einmal, wo Sie heute morgen gestanden haben.«
    Die Geschoßbahn ließ sich leicht verfolgen. Maigret nickte.
    »Der gleiche Winkel. Die Schüsse kamen aus der genau gleichen Richtung, nämlich von der Mauer da drüben … Moment! Was ist denn da los?«
    Er zog die Gardine hoch, erblickte den alten Canut, der auf dem Brennesselweg eifrig mit einem Rechen hantierte.
    »Was machst du da?« rief Maigret.
    »Der Herr hat mir aufgetragen …«
    »… den Schlüssel zu suchen?«
    »Jawohl.«
    »Hier?«
    »Er sucht selber auch, aber drinnen im Park. Und die Köchin und der Diener durchsuchen das Haus …«
    Maigret ließ die Gardine fallen und stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Soso! Wetten wir, daß der Alte ihn findet!«
    »Was findet?«
    »Den Schlüssel, aber lassen wir das! Es ist eine zu lange Geschichte. Wie war das mit dieser Gardine? Wann haben Sie sie heruntergelassen?«
    »Gleich als ich ins Zimmer kam, gegen halb zwei …«
    »Und Sie hörten keine Schritte vor dem Fenster?«
    »Ich achtete nicht darauf. Ich machte mich gleich hinter die Arbeit, und es ist eine mühsame Arbeit, sage ich Ihnen, auch wenn Sie sie vielleicht dämlich finden …«
    »Ich weiß! Ich weiß! … Dieser Jacob … Mit wem habe ich eigentlich über Jacob gesprochen? Meines Wissens mit dem Gärtner … Saint-Hilaire war fischen gegangen. Zum Mittagessen kehrte er zurück, zog sich um und ging Bridge spielen. Sind Sie sicher, daß die anderen Briefe von Clément stammen?«
    »Hundertprozentig sicher.«
    »Dann sind sie belanglos. Das einzige Dokument, das mich interessiert, ist der Brief von Jacob, in dem von einer ›Zahlung‹ und einem ›Montag‹ die Rede ist und der dem Empfänger mit Gefängnis droht, wenn er nicht mit zwanzigtausend Franc herausrückt. Der Mord wurde am Samstag begangen …«
    Draußen klirrte der Rechen dann und wann gegen einen Stein.
    »Weder Eléonore noch Saint-Hilaire können geschossen haben, aber …«
    »Nanu!« ertönte plötzlich die Stimme des Gärtners.
    Befriedigt lächelnd zog Maigret die Gardine wieder hoch und streckte die Hand aus.
    »Gib her!« sagte er.
    »Daß der hier liegt! … Wer hätte das gedacht!«
    »Gib her!«
    Der Schlüssel war ein riesiges Ding, eine wahre Antiquität, wie man sie heutzutage nur noch in exklusiven Läden findet, verrostet wie das Schloß und an mehreren Stellen zerkratzt.
    »Du kannst deinem Herrn melden, daß du ihn mir gegeben hast. Los, geh schon!«
    »Aber ich …«
    »Geh!«
    Maigret ließ die Gardine fallen, warf den Schlüssel auf den Tisch.
    »Alles in allem ein großartiger Tag, finden Sie nicht, Moers? Abgesehen von Ihrem Ohr natürlich! Ein Jacob. Ein Schlüssel. Zwei Schüsse. Und so weiter … Ja? Was gibt’s?«
    »Telegramm!« ließ Monsieur Tardivon sich vernehmen.
    »Was habe ich Ihnen gesagt, mein Junge?« schloß der Kommissar, nachdem er die Meldung überflogen hatte. »Da meint man, es gehe voran, und statt dessen steht man wieder am Anfang. Hören Sie sich das an:

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