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Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet

Titel: Maigret und der verstorbene Monsieur Gallet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Departementsrat angehört. Er hat sehr viel Einfluß in Regierungskreisen … Und da Sie Staatsbeamter sind …«
    Er brachte den Mut zu einer passenden Erwiderung nicht mehr auf. Wortlos sah er sie an, grüßte und ging.
    Das Mädchen mit den schielenden Augen begleitete ihn durch den winzigen Vorgarten.
    »Armer Gallet!« sagte Maigret laut, als die Gartentür hinter ihm ins Schloß fiel.
     
    Wieder in Paris, begab er sich auf einen Sprung in sein Büro am Quai des Orfèvres, um die Post durchzusehen. Sie enthielt nichts, was den Fall Gallet betraf. Sein nächster Besuch galt dem Warenexperten nebenan, der die aus dem Schädel des Toten entfernte Kugel sowie die zwei Geschosse, die auf Moers abgefeuert worden waren, untersucht hatte.
    »Ist das Gutachten fertig?«
    »Ich bin gleich soweit. Alle drei Kugeln stammen aus der gleichen Waffe. Ein Zweifel ist ausgeschlossen. Es handelt sich um einen automatischen Revolver von herkömmlicher Art, ein Produkt der Herstal-Werke.«
    Maigret verzog das Gesicht. Er schüttelte dem Experten die Hand, trat auf die Straße und bestieg ein Taxi.
    »Rue Clignancourt …«
    »Welche Nummer?«
    »Setzen Sie mich an einem Ende der Straße ab, egal an welchem.«
    Auf der Fahrt bemühte er sich, die hartnäckige Erinnerung an die Villa in Saint-Fargeau loszuwerden, dem Alptraum zu entrinnen, der ihn verfolgte, seitdem er das Gespräch der beiden Schwestern mit angehört hatte. Er wollte sich jetzt ausschließlich mit greifbaren Fakten befassen.
    Doch kaum hatte er seine Gedanken zu ordnen begonnen, sah er wieder diese Françoise vor sich, deren Mann – wie von ihr mehrfach und gar nicht beiläufig erwähnt – im Departementsrat saß und die in die Villa Les Marguerites gelaufen kam, sowie sie hörte, daß Madame Gallet über Nacht reich geworden war.
    »Er schadete der Familie …«
    Und so hatten sie Emile Gallet in den ersten Jahren seiner Ehe in die Zange genommen. Er sollte ein für allemal wissen, was er der Préjean-Sippe schuldete. Daß er ihr zur Ehre gereichen mußte, wie die anderen Schwiegersöhne!
    Ein Handlungsreisender, der mit Geschenkartikeln hausierte! …
    »Und doch brachte er den Mut auf, eine hohe Lebensversicherung abzuschließen und fünf Jahre lang die Prämie zu bezahlen!« dachte Maigret fast schadenfroh. Es war ihm selbst nicht klar, was ihn an den vielen Widersprüchen im Leben des toten Mannes so faszinierte und gleichzeitig abstieß. Ob er seine Frau, die ihm seine ärmliche Situation sicher mehr als einmal zum Vorwurf gemacht haben mußte, wirklich geliebt hatte?
    Ein seltsames Ehepaar! Ein seltsames Leben! Hatte nicht trotz allem etwas wie echte Zärtlichkeit in Aurore Gallets Stimme mitgeklungen, als sie von ihrem Gatten sprach?
    Im Nebenzimmer, zugegeben. Später, als sie Maigret gegenüberstand, war der Funke erloschen, war sie wieder ganz die unsympathische, eingebildete Person, als die er sie kennengelernt hatte. Eine zweite Françoise!
    Und dann dieser Henry, der schon als Erstkommunikant so schief dreinblickte, so argwöhnisch, so abweisend. Henry, der mit zweiundzwanzig beschloß, seine Eléonore nicht zu heiraten, weil er fürchtete, sie würde ihren Anspruch auf eine Witwenrente verlieren. Henry, der trotz seines Anfalls arbeiten ging!
    Es begann zu regnen. Der Chauffeur hielt am Bordstein an, um das Verdeck hochzuklappen.
    Die drei Kugeln stammten aus dem gleichen Revolver. Das hieß aber doch wohl, daß sie von der gleichen Person abgefeuert worden waren. Von wem? Weder Henry noch Eléonore, noch Saint-Hilaire konnten die Schüsse auf Moers abgegeben haben.
    Es konnte auch kein Landstreicher gewesen sein. Wenn ein Landstreicher tötet, tut er das nicht um des Tötens willen. Er stiehlt. Und gestohlen wurde nichts.
    Nein, so kam man nicht weiter. Diese ganze Untersuchung war ein Teufelskreis, der sich ständig um die farblose, kummervolle Gestalt des toten Gallet bewegte! Ekelhaft!
    Mißmutig betrat Maigret das erste Haus in der Rue Clignancourt.
    »Wohnt hier jemand namens Jacob?«
    »Beruf?«
    »Weiß ich nicht. Aber er erhält Post unter diesem Namen …«
    Der Regen fiel immer dichter, doch dem Kommissar kam dies durchaus gelegen. Bei solchem Wetter paßten die bevölkerte Straße, die schmalen Läden, die ärmlichen Häuser besser zu seiner augenblicklichen Verfassung.
    Er hätte dieses Pilgern von Haus zu Haus auch einem anderen Beamten überlassen können, aber aus einem Grund, den er sich selbst nicht erklären konnte, widerstrebte

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