Maigret und die alte Dame
stolz.
Das war alles nicht viel wert, nur Ringe, Münzen, Andenken an die erste Kommunion.
»War dieser Ring bei den anderen Sachen?«
»Nein.«
Der Fischer drehte sich zu seiner Frau, die noch etwas zögerte.
»Ich fand ihn ganz unten in einem Schuh drin, in einer kleinen Kugel aus Seidenpapier. Es waren ihre Sonntagsschuhe, die sie höchstens zweimal anhatte.«
Bei dem Schein des Herdfeuers konnte man den Stein nicht genauer anschauen, außerdem kannte sich Maigret mit Edelsteinen nicht aus, aber es war offenkundig, dass dieser Stein hier wertvoller war als der Schmuck, von dem man ihm erzählt hatte.
»Ich sage es jetzt«, brummte Trochu schließlich und war ganz rot im Gesicht geworden. »Die Sache ließ mir keine Ruhe. Gestern bin ich nach Fécamp gefahren und fragte bei dieser Gelegenheit einen Juwelier, der uns damals auch unsere Verlobungsringe verkauft hat. Ich habe das Wort, das er mir sagte, aufgeschrieben. Es ist ein Smaragd. Er meinte noch, dass er so viel wert sei wie ein Boot, und wenn ich ihn gefunden hätte, sei es besser, damit zur Polizei zu gehen.«
Maigret wandte sich an Henri:
»Ist es deswegen?« fragte er ihn.
Henri nickte. Die Mutter fragte misstrauisch:
»Was habt ihr beide da für Geheimnisse? Habt ihr euch schon einmal gesehen?«
»Ich glaube, es ist besser, Ihnen zu sagen, was los ist. Ich habe Ihren Sohn in Begleitung von Theo Besson ge troffen. Das überraschte mich, aber jetzt verstehe ich es. Theo ist nämlich zwei- oder dreimal mit Rose ausgegangen.«
»Stimmt das?« fragte sie Henri.
»Es stimmt.«
»Du hast es gewusst? Und hast nichts gesagt?«
»Ich bin zu ihm gegangen, um ihn zu fragen, ob er meiner Schwester einen Ring geschenkt hat und was eigentlich zwischen ihnen los war.«
»Was sagte er da?«
»Er wollte den Ring sehen. Ich konnte ihn ihm nicht zeigen, weil Vater ihn in seiner Tasche hatte. Ich habe ihm erklärt, wie er aussah. Ich wusste noch nicht, dass es ein Smaragd war, aber er sagte sofort dieses Wort.«
»Ist er von ihm?«
»Nein. Er hat mir geschworen, dass er ihr nie ein Geschenk gemacht hat. Er machte mir klar, dass sie für ihn eine Freundin war, mit der er sich gern unterhielt, weil sie gescheit war.«
»Du hast das geglaubt? Kannst du dieser Familie ein Wort glauben?«
Henri schaute zum Kommissar und redete weiter:
»Er versucht auch, die Wahrheit herauszubekommen. Er behauptet, die Polizei wird sie nie finden. Er behauptet sogar« - sein Mund zitterte etwas -, »dass Valentine Sie kommen ließ und Sie sozusagen in ihre Dienste genommen hat.«
»Ich stehe in niemandes Diensten.«
»Ich sage nur, was er gesagt hat.«
»Bist du sicher, Henri, dass er deiner Schwester den Ring nicht gab?« fragte der Vater verwirrt.
»Er schien ehrlich zu sein. Er sagte dann noch, er sei nicht reich, und selbst wenn er sein Auto verkaufen würde, könnte er so einen Ring nicht kaufen, wenn der Stein echt ist.«
»Woher hat sie ihn dann seiner Meinung nach?« fragte Maigret.
»Er weiß es auch nicht.«
»Fuhr Rose manchmal nach Paris?«
»Sie war nie in ihrem Leben dort.«
»Ich auch nicht«, sagte die Mutter. »Und ich habe überhaupt keine Lust hinzufahren. Es reicht schon, wenn man nach Le Havre muss.«
»Fuhr sie nach Le Havre?«
»Sie besuchte dort manchmal ihre Schwester.«
»Auch nach Dieppe?«
»Ich glaube nicht. Was sollte sie in Dieppe?«
»Eigentlich«, sagte Madame Trochu, »erfuhren wir in letzter Zeit so gut wie gar nichts mehr von ihr. Wenn sie uns besuchte, war sie nur auf einen Sprung da, und sie hatte an allem, was wir machten, etwas auszusetzen. Wenn sie den Mund aufmachte, redete sie nicht mehr so, wie sie es bei uns gelernt hatte, sondern sagte Dinge, die wir nicht verstanden.«
»Hing sie an Valentine?«
»Sie meinen, ob sie sie mochte? Ich glaube eher, dass sie sie verachtete. Ich merkte es an einigen Worten, die ihr herausrutschten.«
»Welchen?«
»Ich komme gerade nicht darauf, aber es fiel mir auf.«
»Warum blieb sie dann bei ihr?«
»Das habe ich sie oft gefragt. Sie gab aber keine Antwort darauf.«
Trochu entschloss sich im letzten Augenblick zu dem Schritt, den Castaing angekündigt hatte.
»Wir haben Ihnen nichts angeboten. Wollen Sie vielleicht ein Glas Apfelwein? Wenn Sie nichts gegessen haben, setze ich Ihnen lieber keinen Alkohol vor.«
Er ging hinaus in die Scheune, um ihn vom Fass zu holen, und kam zurück mit einem vollen blauen Tonkrug; er nahm ein Tuch aus der Schublade und wischte zwei Gläser
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