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Maigret und die alte Dame

Maigret und die alte Dame

Titel: Maigret und die alte Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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gewisse Leute gibt, die sich anstellen...«
    »Ich kann Ihnen versichern, Madame, dass ich die Reichen und die Armen genau gleich befrage.«
    »Und auch die, die so tun, als ob sie reich wären, und es gar nicht sind? Und die, die die große Dame spielen und eigentlich noch weniger sind als wir?«
    Maigret antwortete nicht, er hoffte, sie würde weiterreden. Nachdem sie sich umgesehen und sich Mut gemacht hatte, fuhr sie fort:
    »Wissen Sie, wer diese Frau ist? Ich werde es Ihnen sagen. Meine arme Mutter heiratete einen braven Jungen, der lange in eine andere verliebt gewesen war, eben in Valentines Mutter. Beide wohnten nebeneinander. Die Eltern des Jungen wollten aber nicht, dass er sie heiratet. Damit Sie sehen, was für eine Sorte Mädchen das war...«
    Wenn Maigret richtig verstanden hatte, war Valentines Mutter ein Mädchen gewesen, das man nicht heiraten konnte.
    »Sie hat ja noch geheiratet, werden Sie sagen, aber sie kriegte nur einen Säufer, einen Nichtsnutz, und diese beiden haben Madame in die Welt gesetzt.«
    Vater Trochu hatte eine kurze Pfeife aus der Tasche geholt und stopfte sie in einem Tabaksbeutel, der aus einer Schweinsblase gemacht worden war.
    »Ich war nie damit einverstanden, dass meine Tochter bei so einer Frau arbeitet, die vielleicht noch schlimmer als ihre Mutter ist. Wenn man auf mich gehört hätte...«
    Ein vorwurfsvoller Blick traf ihren Mann, der damals wohl erlaubt hatte, dass Rose in Valentines Dienste trat.
    »Obendrein ist sie noch böse. Lachen Sie nicht! Ich weiß, was ich sage. Sie hat Sie wahrscheinlich herumgekriegt mit ihrem falschen Gehabe. Ich sage Ihnen noch einmal, dass sie böse ist, dass sie auf alle neidisch ist, dass sie meine Rose immer verachtet hat.«
    »Warum ist Ihre Tochter dann bei ihr geblieben?«
    »Das frage ich mich auch. Denn sie mochte sie auch nicht.«
    »Hat sie Ihnen das gesagt?«
    »Sie hat mir nichts gesagt. Sie redete nie über ihre Herrschaften. Zuletzt redete sie so gut wie überhaupt nichts mehr mit uns. Wir waren nicht mehr gut genug für sie, verstehen Sie? Das hat diese Frau fertiggebracht. Sie hat ihr beigebracht, ihre Eltern zu verachten, und das werde ich ihr nie verzeihen. Jetzt ist Rose tot, und die andere kam zur Beerdigung, um die große Dame zu spielen, wo sie eigentlich ins Gefängnis gehörte.«
    Ihr Mann schaute sie diesmal an, als ob er sie beruhigen wollte.
    »Jedenfalls brauchen Sie hier nicht weiter suchen!« sagte sie zum Schluss nachdrücklich.
    »Darf ich auch etwas dazu sagen?«
    »Lasst ihn reden!« sagte Henri dazwischen.
    »Wir bei der Polizei können auch nicht zaubern. Wie sollen wir jemanden finden, der ein Verbrechen begangen hat, wenn wir nicht wissen, warum er es getan hat?«
    Er redete sehr langsam und freundlich mit ihnen.
    »Ihre Tochter wurde vergiftet. Von wem? Wahrscheinlich weiß ich es, wenn ich herausfinde, warum sie vergiftet wurde.«
    »Ich sage Ihnen doch, dass diese Frau sie hasste.«
    »Das reicht vielleicht noch nicht als Grund. Sie dürfen nicht vergessen, dass Mord ein sehr schweres Verbrechen ist, bei dem man seinen Kopf aufs Spiel setzt, auf jeden Fall seine Freiheit.«
    »Böse Menschen haben nicht viel zu verlieren.«
    »Ich glaube, Ihr Sohn wird mich verstehen, wenn ich sage, dass auch noch andere Personen Rose kannten.«
    Henri schien verlegen zu sein.
    »Und vielleicht gibt es noch mehr, die wir gar nicht kennen. Deshalb wollte ich gerne ihre Sachen durchsehen. Es könnten Briefe darunter sein, Adressen, vielleicht auch Dinge, die sie geschenkt bekam.«
    Als er dies sagte, verstummten sie alle, und die Blicke gingen von einem zum anderen. Sie schienen sich untereinander zu beraten, bis die Mutter mit einem letzten Rest von Misstrauen sagte:
    »Zeigst du ihm den Ring?«
    Sie wandte sich an ihren Mann, der sich nur widerwillig herbeiließ und ein großes, abgegriffenes Portemonnaie aus der Tasche zog. Es hatte viele Fächer, von denen man eins mit einem Druckknopf zumachen konnte. Er holte einen in Seidenpapier eingewickelten Gegenstand heraus und gab ihn Maigret. Es war ein alter Ring mit einem grünen Stein.
    »Ich nehme an, Ihre Tochter hatte mehr Schmuck.«
    »Eine kleine Schachtel voll mit Sachen, die sie sich auf dem Markt in Fécamp gekauft hatte. Wir haben sie auch schon verteilt. Übriggeblieben ist hier...«
    Das kleine Mädchen rannte ohne ein Wort in ihr Zimmer und kam mit einem Silberarmband wieder, das mit blauen Glassteinen besetzt war.
    »Das gehört mir!« sagte sie

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