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Maigret und die Tänzerin Arlette

Maigret und die Tänzerin Arlette

Titel: Maigret und die Tänzerin Arlette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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»daß sie dort vor fünfzehn Jahren mit ihrem Mann gewohnt hat.«
    »Sie war damals also noch nicht fünfunddreißig.«
    »Hier ist ein Foto von ihr und dem Grafen aus jener Zeit.«
    Es war eine Amateuraufnahme. Die beiden standen vor der Tür der Villa, und die Frau hielt zwei riesige russische Windspiele an der Leine.
    Graf Farnheim, ein kleiner, dürrer Mann mit weißem Spitzbart, war sehr elegant gekleidet und trug ein Monokel. Seine Gefährtin war ein blühendes, schönes Geschöpf, und auf der Straße drehten sich sicherlich alle Männer nach ihr um.
    »Weißt du, wo sie geheiratet haben?«
    »In Capri, drei Jahre bevor dieses Bild aufgenommen wurde.«
    »Wie alt war der Graf?«
    »Als sie heirateten, fünfundsechzig. Sie waren nur drei Jahre verheiratet. Er hat die Oase gleich nach ihrer Rückkehr aus Italien gekauft.«
    In den Papieren fand sich alles mögliche: vergilbte Rechnungen, Pässe mit den verschiedensten Visa, Karten vom Kasino in Nizza und in Cannes und sogar ein Bündel Briefe, die Lapointe noch nicht durchgesehen hatte. Sie waren in einer steilen Schrift geschrieben, mit einigen deutschen Buchstaben dazwischen, mit Hans unterzeichnet.
    »Weißt du schon ihren Mädchennamen?«
    »Madeleine Lalande. Sie ist in La Roche-sur-Yon in der Vendée geboren und war eine Zeitlang Statistin im Casino de Paris.«
    Nach kurzem Schweigen fragte Lapointe, dem seine Aufgabe allmählich wie eine Art Strafe vorkam:
    »Hat man noch nichts gefunden?«
    Natürlich dachte er nur an Arlette.
    »Janvier befaßt sich damit. Und ich werde es jetzt auch tun.«
    »Gehen Sie ins Picratt?«
    Maigret nickte nur. Im Nebenzimmer fand er den Inspektor, der die Telefonanrufe annahm und die Besucher empfing, die etwas über die Identität der Tänzerin aussagen wollten.
    »Immer noch nichts Greifbares. Ich habe eine alte Frau, die sie mit Sicherheit zu erkennen glaubte, ins Gerichtsärztliche Institut geführt. Selbst beim Anblick der Leiche schwor sie, es sei ihre Tochter. Aber der Beamte dort wußte gleich, daß das eine Verrückte ist. Schon seit zehn Jahren behauptet sie alle Frauenleichen zu erkennen, die dort ausliegen.«
    Das meteorologische Institut schien wenigstens einmal recht zu behalten, denn als Maigret wieder draußen auf der Straße stand, war es empfindlich kalt, eine richtige grimmige Winterkälte, und er schlug den Mantelkragen hoch. Er kam zu früh zum Montmartre. Es war erst kurz nach elf Uhr, und das Nachtleben hatte noch nicht begonnen. Die Leute saßen um diese Zeit noch dichtgedrängt in den Theatern und Kinos. Die Kabaretts schalteten gerade erst ihre Neonleuchtreklamen ein, und die livrierten Portiers waren noch nicht auf ihrem Posten. Er ging zunächst in das Lokal an der Ecke der Rue de Douai, wo er wohl schon hundertmal gewesen war und wo man ihn gleich erkannte. Der Wirt hatte auch eben erst mit seiner Arbeit begonnen. Er war auch ein Nachtmensch. Seine Frau betrieb das Lokal tagsüber mit mehreren Kellnern, und er löste sie dann abends ab, so daß sie sich immer nur kurz sahen.
    »Was darf ich Ihnen geben, Kommissar Maigret?«
    Sofort bemerkte Maigret einen Mann, auf den der Wirt ihn zwinkernd aufmerksam zu machen schien und der offensichtlich der Heuschreck war. Er war so klein, daß er kaum bis an die Theke reichte, wo er gerade eine Pfefferminzschorle trank. Er hatte den Kommissar ebenfalls erkannt, tat aber so, als wäre er ganz in die Rennzeitung vertieft, die er in den Händen hielt und in der er sich verschiedenes mit Bleistift anstrich.
    Man hätte ihn für einen Jockei halten können, denn er hatte bestimmt das richtige Gewicht dafür. Maigret sah mit Unbehagen das zu diesem Kinderkörper gehörende Gesicht – eine faltige, graue, erloschene Maske mit äußerst flinken und wachen Augen, die alles wahrzunehmen schienen und ihn an Tiere erinnerten, die immer auf der Lauer sind.
    Er trug keine Uniform, sondern einen Anzug, in dem er wie ein Erstkommunikant wirkte.
    »Sind Sie gestern gegen vier Uhr früh hier gewesen?« fragte Maigret den Wirt, nachdem er ein Glas Calvados bestellt hatte.
    »Wie jede Nacht. Ich habe sie gesehen. Ich bin über alles im Bilde. Ich habe die Zeitung gelesen.«
    Mit solchen Männern wie ihm hatte man es leicht. Einige Musiker tranken einen Milchkaffee, bevor sie an ihre Arbeit gingen. Außerdem waren noch zwei oder drei üble Burschen anwesend, die der Kommissar genau kannte und die sich bemühten, eine möglichst unschuldige Miene aufzusetzen.
    »Wie war

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